Verbindung von drei Museen
Neue Museumsmeile in Tiflis
In der georgischen Stadt Tiflis läuft ein bemerkenswertes Museumsprojekt: Drei Museen sollen zu einer Museumsmeile verbunden werden, das Kunstmuseum, das historische Museum und die Nationalgalerie. Sie alle gehören zum 2005 ins Leben gerufenen Georgischen Nationalmuseum, zu dem insgesamt zehn Museen und zwei Forschungseinrichtungen in Georgien gehören.
8. April 2017, 21:58
Kulturjournal, 28.12.2010
Reparaturbedürftiges Museum
Das georgische Kunstmuseum von Tiflis in der Gudiaschwili-Straße 1 ist einen Besuch wert. Darin findet man viele wertvolle Exponate, die von georgischen Kunstsammlern in den letzten 150 Jahren sorgfältig ausgewählt wurden. Hier werden dem Zuschauer unter anderem Objekte der iranischen bildenden Kunst und Handwerkstücke aus dem 18. und 19. Jahrhundert präsentiert, sowie eine große Sammlung von kaukasischem Gold- und Bronzeschmuck aus dem 5. bis 4. Jahrhundert vor Christus und eine reichhaltige Sammlung von Artefakten der vorchristlichen und christlichen Kunst der kaukasischen Region.
Doch die Umstände, unter denen diese wertvollen Objekte dem Zuschauer präsentiert werden, sind erschreckend: Einige Museumswände zeigen Risse und gewaltige Wasserflecken, es ist feucht, und die Raumtemperatur kann über das Jahr nicht konstant gehalten werden. Deshalb sind viele Objekte in einem dringend restaurierungsbedürftigen Zustand, sagt der Vizedirektor des georgischen Nationalmuseums, Micheil Tsereteli:
"Das Gebäude selbst stammt aus dem Ende des 19. Jahrhunderts, und es hat leider viele Mängel. Es wurde in den letzten dreißig Jahren nicht restauriert. Demnächst stehen die Evakuierung der Museumssammlung und die Restaurierung des Gebäudes auf unserer Tagesordnung. Im Rahmen des Pilotprojektes werden wir über 5.000 Objekte aus diesem Gebäude auslagern."
Kunstwerke werden restauriert
Die Objekte und Magazine des Kunstmuseums sollen im nächsten Jahr in ein Zwischenlager gebracht und dort restauriert werden, während das Gebäude saniert wird. Dabei werden die Kunstgegenstände nicht nur transportiert, sondern sie müssen in aufwändigen Verfahren von Schädlingsbefall befreit werden. Dies erfordert von den Mitarbeitern des Museums Geduld, Wissen und Können.
Das Kunstmuseum ist bereits das dritte Haus, das im Laufe des Projekts saniert wird. Im Frühjahr 2011 soll die Nationalgalerie mit den Ausstellungen der zeitgenössischen georgischen, kaukasischen und internationalen Kunst wieder eröffnet werden.
Historische Highlights
Noch im gleichen Jahr wird ihm das Historische Janaschia-Museum folgen. Dieses Museum hat eine reiche Sammlung von archäologischen Funden. Die Schädel der Menschen aus Tmanisi im Süden Georgiens, die mit 8,5 Mio. Jahren den ältesten Menschenfund außerhalb Afrikas darstellen, werden eines der Highlights im Bereich der frühen Menschheitsgeschichte sein.
Ein weiteres Highlight ist das Gold aus Wani im Westen Georgiens, das in einer Art Schatzkammer präsentiert werden wird. Es handelt sich um Meisterwerke der Goldschmiedekunst aus dem 5. und 4. Jahrhundert vor Christus, die in einer Siedlung aus griechischer Zeit gefunden wurden.
Standards auf internationales Niveau anheben
Die aufwendige Restaurierung und Präsentation von mitunter einzigartigen Museumsobjekten ist allerdings nur eines der Ziele der georgischen Museumsexperten. Eine sehr große Bedeutung messen sie den veränderten Schwerpunkten im Museumswesen bei, sagt Micheil Tsereteli:
"Noch vor fünf Jahren galten bei uns die Museen als langweilige staubige Orte, wo nur die Vertreter von älteren Generationen arbeiteten. Es gab darin kaum Heizung oder Strom. Es waren einfach Orte der Tristesse. Eine Tatsache schien seit der Sowjetzeit komplett vergessen worden zu sein: Die Museen sollen in erster Linie für die Besucher da sein. Deshalb wollen wir bei uns eine besucherfreundliche Herangehensweise entwickeln. Wir wollen nicht nur die Hochintellektuellen und die Kunstliebhaber ansprechen, sondern Vertreter aller Schichten unserer Gesellschaft. Das ist in den westlichen Ländern längst Standard. Und auch wir möchten unsere Standards auf internationales Niveau anheben."
Von der EU gefördertes Twinning-Projekt
Bei dieser schwierigen Aufgabe werden die georgischen Museumsexperten von ihren europäischen Partnern unterstützt, denn die Restaurierung der georgischen Nationalmuseen erfolgt im Rahmen eines durch die Europäische Union geförderten Twinning-Projekts. Twinning ist das von der EU finanzierte Programm zum Auf- und Ausbau öffentlicher Strukturen interessierter Beitrittsländer.
Georgien sei das erste Land, in dem ein Twinning-Projekt im Kultursektor läuft, sagt Micheil Tsereteli: "Seitdem 2005 die Reform der georgischen Nationalmuseen gestartet wurde, haben wir uns bemüht, die Mittel für dieses Projekt unabhängig zu sammeln, denn nur die staatliche Unterstützung war dafür nicht ausreichend. Wir boten der EU ein Twinning-Projekt im Bereich der Kultur an und waren damit erfolgreich. Bisher hatte es Twinning-Projekte lediglich in der Landwirtschaft, Grenzüberwachung, Polizei und in anderen Bereichen gegeben. Nun haben wir die einzigartige Chance, enge Beziehungen zu solchen angesehenen Institutionen wie die Stiftung Preußischer Kulturbesitz und die Staatlichen Museen zu Berlin aufzubauen."
Deutsches Know-how
Der deutsche Hauptpartner ist die Stiftung Preußischer Kulturbesitz mit ihren Staatlichen Museen zu Berlin, die in den letzten Jahrzehnten nach der Widervereinigung wohl wie keine andere Einrichtung Erfahrungen in der Modernisierung ihrer Museumsbauten gemacht hat. Deswegen bemühen sich die deutschen Experten, ihr Wissen gewinnbringend für die Entwicklung des Georgischen Nationalmuseums zu transferieren. Bei der Entwicklung einer der zentralen Kultureinrichtungen des Landes trifft deutsches Know-how auf die georgische Leidenschaft, sagt Manfred Nawroth, Projektkoordinator von der Stiftung Preußischer Kulturbesitz:
"Es wird unglaublich schnell gemacht! Man hat 2004 unterschiedliche Häuser in unterschiedlichen Qualitäten mit unterschiedlicher Personalausstattung und unterschiedlichen Sammlungen übertragen bekommen. Und mit dem Generaldirektor des Museums, David Lordkipanidze, einen sehr wachsamen Chef, der sehr wohl weiß, in welche Richtung er das nationale Museum entwickeln will, dabei auch äußerst geschickt in den Kooperationen im Lande aber auch weltweit vernetzt, versucht, die besten Beratungen einfach ins Land hineinzuholen, um diesen Prozess durchführen zu können, gute Qualitäten zu erzeugen, und das Ganze in einem überschaubaren finanziellen und zeitlichen Rahmen zu halten. Das ist ein Kunststück: kaukasisch, leicht lebend, das man in Europa nicht kennt, wo man sehr viel mehr Planungsaufwand und zugegebenermaßen sehr viel mehr finanzielle Mittel benötigen würde, um Vergleichbares zu machen."
Mentalitätsunterschiede
Bei seiner Aufgabe, die Arbeit seiner georgischen und deutschen Kollegen zu koordinieren, hat Manfred Nawroth natürlich auch einige Hürden zu überwinden. In erster Linie sind es die Kulturunterschiede, die zu berücksichtigen seien, berichtet der Museumsexperte:
"Deutschland ist ja sehr genau und legt sehr großen Wert auf die frühzeitige Planung. In Georgien ist genau das Gegenteil der Fall, dass man von heute auf morgen die Entscheidungen treffen will. Und diese im Mentalitätsbereich liegenden Dinge etwas näher heranzubringen und zu vereinen, das ist die größte Schwierigkeit, die es dabei gibt. Motivation treffe ich hier an allen Stellen an."
Und wenn das Museumsprojekt erfolgreich abgeschlossen ist, wird es bereits im kommenden Jahr das Gesicht der Stadt stark verändern, denn laut Projektplanern sollen es Paradestücke von Museen nach europäischem Standard und der international gültigen Sicherheit werden, bei denen der wissenschaftlichen Arbeit und Forschung eine große Bedeutung beigemessen werden soll:
"Man öffnet sich auch den öffentlichen Dingen wie den virtuellen Bibliotheken, man schafft Raum für Cafés und Begegnungsstätten im Kunstraum", sagt Nawroth. "Es kann sein, dass Kunst und Café wie in der Nationalgalerie aufeinander treffen, wo man die zeitgenössischen lebenden Künstler vielleicht im Hof ausstellt und dabei den Kaffe genießt. Die Spürbarkeit dieses Museums für das kulturelle Leben in der Stadt, die kulturelle Anerkennung für die Bevölkerung in der Stadt und auf dem Lande sollte eine große Wirkung haben. Und ich meine auch, dass es eine erkennbare Größe hat für die internationalen Touristen, als eine der Attraktivitäten, um dieses schöne wunderbare Land zu bereisen."