Erfahrungen im KZ Mauthausen

Die Freiheit kam im Mai

Der griechische Schriftsteller Iakovos Kambanellis hat 1963 über seine Erfahrungen im KZ Mauthausen ein Buch geschrieben. Mit fünfzigjähriger Verspätung ist dieses Werk nun auch in deutscher Übersetzung unter dem Titel "Die Freiheit kam im Mai" erschienen.

In Griechenland ein Klassiker

Am 5. Mai 1945 wurde das Konzentrationslager Mauthausen von amerikanischen Truppen befreit. Unter den bis auf die Knochen abgemagerten Häftlingen, die den Befreiern zujubelten, war auch der spätere griechische Schriftsteller Iakovos Kambanellis.

1963 hat Kambanellis über seine Erfahrungen in Mauthausen ein Buch geschrieben, das in Griechenland längst als Klassiker gilt. Mit fünfzigjähriger Verspätung ist dieses Werk nun auch in deutscher Übersetzung erschienen, und zwar im Wiener Ephelant-Verlag.

Verfasser von Theaterstücken

In Griechenland ist Iakovos Kambanellis, heute 88 Jahre alt, eine Instanz. Jedes Kind, so berichtet sein Wiener Verleger Franz Richard Reiter, kennt den populären Schriftsteller, der sich vor allem als Verfasser von Theaterstücken einen Namen gemacht hat.

"Alle Griechen wissen, dass er in Mauthausen war, alle wissen, dass er ein Buch darüber geschrieben hat, das in mehr als dreißig Auflagen auf Griechisch erschienen ist, auch in Raubdrucken und soweiter", berichtet Reiter.

Romanhafter Erfahrungsbericht

Fünfzig Jahre hat es gedauert, bis dieses Buch nun auch ins Deutsche übersetzt worden ist. Elena Strubakis hat die Übersetzung besorgt. Iakovos Kambanellis wird es mit einer gewissen Genugtuung zur Kenntnis genommen haben, dass sein romanhafter Erfahrungsbericht nun auch in der Sprache der Mörder von einst zu lesen ist.

Reiter hat den Schriftsteller erst vor kurzem in Athen besucht: "Für Kambanellis ist Mauthausen nicht seine Identität. Seine Identität ist, dass er Schriftsteller ist, und zwar Bühnenschriftsteller. Er hat auch nur einen Roman geschrieben, das ist dieses Buch, er hat viel Lyrik geschrieben, und er lebt ganz im Hier und Jetzt."

Zusammenarbeit mit Mikis Theodorakis

Zu einem der Stars der griechischen Literatur wurde Iakovos Kambanellis auch durch seine Zusammenarbeit mit Mikis Theodorakis, der einige seiner Gedichte zur berühmten "Mauthausen"-Cantata vertont hat.

"Die Freiheit kam im Mai": Kambanellis Roman beginnt mit dem Moment der Befreiung des KZ Mauthausen durch die 11. Panzerdivision der 3. US-Armee. In beklemmenden Rückblenden erzählt er von den Drangsalen der KZ-Haft, er schildert aber auch die Monate nach der Befreiung, in denen die wiedergewonnene Freiheit von tausenden Häftlingen erst mühsam neu eingelernt werden musste.

Ansatz nicht unproblematisch

Im Gegensatz zu anderen KZ-Überlebenden – zu Ruth Klüger oder Jean Améry etwa – hat Kambanellis die Form eines Romans gewählt, um seine Erfahrungen literarisch zu verarbeiten.

Ein nicht ganz unproblematischer Ansatz, wie Reiter weiß: "Die zentrale Frage ist: Darf unübertreffbare Bestialität künstlerisch verarbeitet werden? Da hat's auch eine europäische Diskussion gegeben. Ich habe zahlreiche ehemalige KZ-Häftlinge gekannt, und die sind der Meinung: So, wie's der Kambanellis gemacht - und auch so, wie's der Theodorakis in der 'Cantata' gemacht hat -, so darf man's machen. Das ist etwas Gelungenes."

Griechische Themen

Das Buch sie auch ein griechisches Buch, so Reiter: "Denn Kambanellis schildert spezifisch, wie sich Griechen im Lager verhalten haben ... zum Teil verrückt, toll, dreist ... dass sie Volkslieder mit einem anderen Text gesungen haben, und die SSler haben halt gemeint, die singen halt Lieder aus ihrer Heimat."

Kambanellis beschreibt auch, wie sich Teile der Mauthausener Bevölkerung nach dem Krieg damit herauszureden versuchten, dass sie mit den Verbrechen der Deutschen nichts zu tun gehabt hätten, seien sie doch Österreicher. Eine Ausrede, die die überlebenden KZ-Häftlinge nicht zu überzeugen vermochte.

Österreicher als Bestien wahrgenommen

"Kambanellis hat die Österreicher als absolute Bestien wahrgenommen, und da war er nicht der einzige", schildert Reiter. "Die Bevölkerung war, solange Mauthausen ein KZ war, den Häftlingen gegenüber völlig feindlich gegenüber eingestellt gewesen, und nachher genauso. Aber: Es waren nicht alle so. Es hat wenige gegeben, die die Ausnahme waren. Und wie das Kambanellis und seine Freunde erfahren haben, war das ein Schock für sie: weil sie ihr Urteil, dass alle so sind, nicht aufrecht erhalten konnten."

So schildert Iakovos Kambanellis in seinem Buch, wie verwirrt er und seine Kameraden waren, als sie davon erfuhren, dass einige KZ-Ausbrecher von Bauernfamilien in den Ortschaften Schwertberg, Winden und Lanzenberg vor der SS versteckt worden waren.

Ein maßgebliches Dokument

"Die Freiheit kam im Mai" ist ein maßgebliches Dokument der sogenannten KZ-Literatur. Ein halbes Jahrhundert hat es gedauert, bis dieses Werk auch in deutscher Übersetzung vorliegt. Ein Skandal eigentlich. Andererseits: Besser spät, als nie.

Service

Iakovos Kambanellis, "Die Freiheit kam im Mai", aus dem Griechischen übersetzt von Elena Strubakis, Ephelant-Verlag