Bulldozer im Morgengrauen

Ai Weiweis Atelier in China zerstört

Der Abriss seines neuen Ateliers in Shanghai ist aus Sicht des berühmten chinesischen Künstlers Ai Weiwei eine Strafe für seine politischen Aktivitäten gewesen, sagt der Künstler im Ö1 Interview. Die Behörden der Hafenstadt hatten das Atelier des Regimekritikers am Dienstag, 11. Jänner 2011 innerhalb eines Tages einreißen lassen.

Mittagsjournal, 14.01.2011

Aufwendig erbaut

Die Bulldozer kamen im Morgengrauen. Unangemeldet. In wenigen Stunden rissen sie nieder, was zwei Jahre lang geplant und aufwendig erbaut wurde. Das neue Atelier und Studio von Ai WeiWei. Shanghais Stadtfunktionäre hatten den 53-jährigen Konzeptkünstler ursprünglich noch ausdrücklich aufgefordert, sein Atelier im neuen Künstlerviertel am Stadtrand zu errichten. Vor wenigen Wochen warfen sie ihm dann vor, für das Atelier nicht über die nötigen Baugenehmigungen zu verfügen.

"Sie sagten zu mir: Du solltest das doch wissen. Ich habe gefragt, was soll ich wissen. Du solltest doch wissen, dass es deine politischen Aktivitäten sind, die dir das eingebrockt haben", so der Künstler.

Internationale Publicity

Ai Weiweis Werke, vor allem auch seine Installationen, wurden weltweit in Ausstellungen gezeigt - zuletzt in der Tate Modern in London. Im vergangenen Jahr ließ er einen vier Tonnen schweren Gesteinsbrocken aus China auf den Dachstein bringen. Er nutzt den Rahmen, um auf die Lage der Menschen in China und seinen Widerstand gegen das chinesische System aufmerksam zu machen. Sein Aktionismus bringt ihm im Westen viel an Publicity.

In China selbst ist Ai Weiwei hingegen wenig bekannt. Staatliche Museen ignorieren den Mann mit dem angegrauten Ziegenbart, der uns in seinem Pekinger Atelier empfängt: "Künstler haben in China an sich viele Freiheiten. Es geht hier oft mehr als im Westen, weil diese Gesellschaft im Aufbruch ist und noch nicht so gesetzt und etabliert ist. Die meisten Künstler in China sind unpolitisch, würden die Regierung nie kritisieren. Ihnen geht es gut. Sie sind erfolgreich. Doch diejenigen, die sich politisch engagieren, die Meinungsfreiheit einfordern, die unabhängig denken wollen - für sie ist es in den vergangenen zwei Jahren viel schwieriger geworden."

Künstler verprügelt

Eine, die das schmerzlich erfahren musste, ist Karen Patternson. Ihr Mann, der chinesische Künstler Wu Yuren, wollte sich auf einer Polizeistation in Peking im vergangenen Mai beschweren. Dort wurde er stattdessen verprügelt und sitzt seither wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt in Untersuchungshaft.

"Dass sie meinen Mann verprügelt und dann inhaftiert haben, das ist ihre Rache für die politischen Aktivitäten von ihm", ist Karen Patternson überzeugt. Ihr Mann hatte im vergangenen Jahr einen Protestmarsch im Stadtzentrum Pekings organisiert - gegen die Zwangsdelogierung von Künstlern aus ihren Ateliers.

Willkür und Gewalt

Trotz staatlicher Willkür und Gewalt: Ai Weiwei will sich den Mund nicht verbieten lassen. Ob er sich aufgrund seiner Bekanntheit im Westen mehr leisten kann als seine Kollegen? "Ja und Nein", meint Ai Weiwei. "Es wurden schon viel wichtigere Leute hier zerstört. Da mach ich mir keine Illusionen. Aber Kunst und politisches Engagement, das ist für mich eine Einheit. Ich kann nicht anders. Wie lange sie mich noch weitermachen lassen, ich weiß es nicht."

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