Jährlich rund 200 junge Frauen betroffen

Zwangsheirat in Österreich

Weil ihr Vater sie zur Heirat mit einem ihr unbekannten Mann zwingen wollte, hat eine 18-Jährige Steirerin kosovarischer Herkunft Anzeige bei der Polizei erstattet. Jetzt sitzt der Vater in Haft. Dass es in Österreich zu Zwangsheirat kommt, ist nicht ungewöhnlich. Konkrete Zahlen gibt es nicht. Expertinnen sprechen aber von einer sehr hohen Dunkelziffer.

Mittagsjournal, 20.01.2011

Zwangsheirat ist eine Straftat

Obwohl Zwangsheirat eine Straftat ist, für die bei einer Verurteilung bis zu fünf Jahre Haft drohen, schätzen Experten, dass in Österreich jährlich um die 200 Mädchen und junge Frauen von Zwangsheirat betroffen sind.

Vielfältige Motive

Die Motive sind vielfältig, sagt Marina Sorgo vom Gewaltschutzzentrum Steiermark: "Wir gehen davon aus, dass es zum einen die Kontrolle ist, die die Familie haben will, vor allem die Väter oder Brüder, über die Sexualität der jungen Frauen. Und, dass durch diese Zwangsverheiratung auch eine Verbindung zum Herkunftsland aufrecht erhalten bleibt. Man heiratet ja einen aus dem eigenen Land oder eigenen Clan. Das dritte ist, dass das Vermögen dadurch abgesichert wird, indem man jemanden aus dem eigenen Clan heiratet."

Konsequenzen für Frauen schwerwiegend

Wenn sich eine Frau dazu entschließt, sich zu wehren, sind die Konsequenzen oft schwerwiegend, weiß Maria Schwarz-Schlöglmann vom Gewaltschutzzentrum Niederösterreich: "Das heißt konkret auch andere Unterkunft, das heißt auch in ein anderes Bundesland gehen, bis hin zur Namensänderung. Die Bindung und die Kontrolle der Familie sind meist so stark, dass das nicht möglich ist."

Junge Migrantinnen haben Angst

Auch fürchten sich viele junge Migrantinnen davor, rechtliche Schritte gegen ihre Familienangehörige einzuleiten, weil sie um ihre Aufenthaltsbewilligung fürchten. Was sie nicht wissen ist, dass es auch anders gehen kann: Seit dem 2009 geänderten Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz können gewaltbedrohte Frauen eine eigenständige Niederlassungsbewilligung erhalten.

"Wichtig ist die Sensibilisierung"

Von der Öffentlichkeit wird das Thema der Zwangsheirat leider bagatellisiert, sagt Christina Kraker-Kölbl, die ein Projekt für bedrohte Migrantinnen in Graz leitet: "Wichtig ist die Sensibilisierung. Sehr viele Behörden und Sozialarbeiterinnen sind zwar sehr engagiert, aber oft wissen sie gar nicht was die eigentlichen Hintergründe sind und können auch gar nicht glauben, dass das auch in Graz passiert. Man kennt es aus der Literatur oder aus Filmen und man glaubt es passiert irgendwo anders, aber es passiert eben auch in Österreich. Durch Integration, Migration kommen einfach auch neue Themen zu uns, wo wir einfach Antworten finden müssen."

Keine aussagekräftigen Statistiken

Derzeit gibt es keine aussagekräftigen Statistiken über Zwangsverheiratung in Österreich. In der Kriminalstatistik fallen diese Fälle unter "Nötigung". Wie viele Frauen tatsächlich unter häuslicher Gewalt und Zwangsheirat leiden, ist nicht bekannt.