Fotos von Trude Fleischmann im Wien Museum

Der selbstbewusste Blick

Im Wien der 1920er Jahre hat Trude Fleischmann viele Künstler und Künstlerinnen fotografiert. 1938 musste sie vor den Nationalsozialisten fliehen, 1990 ist sie im New Yorker Exil gestorben. Jetzt erinnert das Wien Museum an eine der großen Fotografinnen des 20. Jahrhunderts in der ersten großen Ausstellung, die je über Trude Fleischmann gezeigt wurden.

Das Haus am Karlsplatz besitzt nicht nur eine der international bedeutendsten Fleischmann-Sammlungen, sondern auch das einzige Tondokument von Trude Fleischmann, ein Interview, das die Fotohistorikerin Anna Auer vier Jahre vor deren Tod aufgezeichnet hat.

Als Kind, so mit sieben oder acht Jahren, habe sie einen Fotoapparat geschenkt bekommen, und so habe ihre Karriere begonnen, erzählt Trude Fleischmann in diesem Interview.

Kulturjournal, 26.01.2011

Die Bilder der Trude Fleischmann gehören längst zu den Ikonen der Fotogeschichte, die Porträts von Karl Kraus, Adolf Loos, Bruno Walter, Alban Berg oder Oskar Kokoschka - ihre Schöpferin ist in Vergessenheit geraten.

"Wenn man's in der österreichischen Fotografie des 20. Jhdt verortet, war sie sicher eine ganz herausragende Fotografin", sagt der Fotohistoriker und Kurator der Ausstellung im Wien Museum Anton Holzer: "Sie hat ja wie fast alle Fotografinnen und Fotografen an der Graphischen Lehr- und Versuchsanstalt während des Krieges gelernt" und im Fotoatelier von Hermann Schieberth am Wiener Opernring. Trude Fleischmann erinnert sich:

"Wir waren ungefähr vier oder fünf Mädchen im Atelier Schieberth und der Chef war verreist. Plötzlich läutet's und wer kommt? Peter Altenberg und Adolf Loos und wollten fotografiert werden." So ist anno 1918 das bekannte Doppelporträt von Adolf Loos und Peter Altenberg entstanden.

Treffpunkt der künstlerischen Prominenz

Zwei Jahre später hat Trude Fleischmann ein eigenes Atelier eröffnet - hinter dem Wiener Rathaus, in der Ebendorferstraße 3. Und dieses Atelier wurde schon bald zum Treffpunkt der künstlerisch-kulturellen Prominenz; davon erzählen Porträts von Stefan Zweig, Wilhelm Furtwängler, Grete Wiesenthal, Paula Wessely, Hedy Lamarr, von Hermann und Helene Thimig. Und Alma Mahler kam, um sich als begeisterte Hobbyfotografin von ihrer Freundin Trude Fleischmann in der Kunst der Fotografie unterweisen zu lassen.

Sie habe sich sehr schnell einer sachlichen, aber nicht avantgardistischen Fotografie zugewendet, so Holzer. "Sie ist sehr nahe an die Porträtierten herangegangen und hat sehr viel mit Ausschnitten gearbeitet. Sie hat also eine eigene Handschrift entwickelt."

"Kein Beiwerk stört die Wirkung der Physiognomie", schrieb die "Bühne" anno 1929 über die erste eigene Atelierausstellung von Trude Fleischmann, und weiter hieß es da: "Solche Arbeiten können reformierend auf den Geschmack in der Bildnisphotographie wirken". Das Spektrum dieser Arbeiten reicht von der Tanzfotografie und Porträts über Mode-, Reise- und Landschaftsbildern bis hin zur Aktfotografie.

Selbstbewusste Frauen

Man schrieb das Jahr 1925, als im Atelier von Trude Fleischmann Claire Bauroff vor der Kamera posierte. Fleischmann zeigte den eingeölten hellen Körper der bekannten Tänzerin kontrastreich vor schwarzem Hintergrund.

"Diese Fotos waren ein Skandal", so die Kuratorin des Wien Museums Frauke Kreutler. "Die Fotos sind in Berlin im Admiralspalast als Werbung für die Nackttänzerin Claire Bauroff affichiert worden, sind zensuriert worden, weil die bekannten Stellen nicht abgedeckt worden sind, und dieser Eklat ist bis nach Österreich übergeschwappt." Aber als wirklich skandalös habe man empfunden, dass vor und hinter der Kamera Frauen selbstbewusst aufgetreten sind, meint Kreutler.

Den politischen Verhältnissen angepasst

Selbstbewusst aufgetreten ist Trude Fleischmann auch als Pressefotografin. Ihre Bilder erschienen in den auflagenstarken österreichischen Illustrierten "Wiener Bilder" und "Das interessante Blatt"; durch den Ullstein-Konzern gelingt ihr auch der Sprung in die Berliner Zeitungsszene - mit Atelieraufnahmen ebenso wie mit speziellen Auftragsarbeiten.

In der konservativen Zeit des Austrofaschismus, habe sie auch ihre Bilder diesem Zeitwandel angepasst, so Holzer. "Sie hat traditionell inszenierte Heimatfotografien gemacht, sie hat Reisebilder gemacht, sie hat das gemacht, was die Presse drucken wollte."

Im März 1938 erschien noch ein Paula-Wessely-Porträt, aufgenommen im Skiort Obergurgl. Es war das letzte Foto, das Trude Fleischmann in Österreich veröffentlichen konnte.

Exil in den USA

Zuerst ist sie nach Paris gegangen. Über London erreichte Trude Fleischmann 1939 die USA. Bereits nach wenigen Monaten eröffnete sie ihr New Yorker Atelier. "Sie hat in erster Linie Emigranten fotografiert", sagt Anton Holzer, "sie hat Arturo Toscanini fotografiert, der als sehr medienscheu gegolten hat." Toscanini war aber sehr freundlich zu ihr, erinnert sich Trude Fleischmann.

Die Emigration in die USA lässt eine deutliche Wende im Werk von Trude Fleischmann erkennen, sagt der Fotohistoriker Anton Holzer: "Sie geht viel stärker aus dem Atelier hinaus, macht auch Porträts im Freien, sie passt sich durchaus den amerikanischen Bedingungen des Fotografie-Marktes an."

1969 zieht sich Trude Fleischmann aus dem Berufsleben zurück, sie übersiedelt in die Schweiz, nach Lugano, zwei Jahre vor ihrem Tod kehrt sie nach einem Unfall wieder in die USA zurück. Wien kam für sie nicht mehr in Frage.

Textfassung: Ruth Halle

Service

"Trude Fleischmann. Der selbstbewusste Blick", 26. Jänner bis 29. Mai 2011, Wien Museum,
Ö1 Club-Mitglieder bekommen ermäßigten Eintritt (EUR 2,-).

Wien Museum