Der Tscheche "Habermann"

Nur ja kein Fehltritt!

Die Vertreibung der deutschen Bevölkerung aus dem Sudetenland nach dem Zweiten Weltkrieg sorgte lange Zeit für Diskussionen und unterschiedliche Interpretationen rund um Schuldfragen. Warum die moralische Beurteilung der Ereignisse von damals so komplex ist, dem geht nun auch der Spielfilm "Habermann" des tschechischen Regisseurs Juraj Herz nach.

Kultur aktuell, 02.02.2011

Eigentlich möchte August Habermann, deutschstämmiger Müller der vierten Generation in Tschechien, mit den Nazis nichts zu tun haben. Er ist ja nur ein Mühlenbesitzer. Doch nach dem Einmarsch deutscher Truppen in Tschechien 1938 kann niemand mehr den Kopf in den Sand stecken, auch nicht Habermann.

Ein wenig Anpassung, ein wenig trotziger Widerstand, Habermann gerät zusehends in ein moralisches Dilemma. Als Deutscher könnte er sich und seine Familie leicht schützen, sich mit den Nazis arrangieren, als jemand, der Tschechien als seine Heimat sieht, verspürt er eine tiefe Solidarität zu den Tschechen.

Keine einseitigen Schuldzuweisungen

Druck und Gegendruck, Gewalt und Gegengewalt, der Terror der Nazis und der Widerstand tschechischer Untergrundkämpfer, die Fronten sind vordergründig klar, doch Regisseur Juraj Herz versucht eindeutige Kategorisierungen und Schuldzuweisungen zu vermeiden, beschönigt aber auch nicht die Täter- und Opfer-Verhältnisse auf beiden Seiten.

Auf die Verbrechen der Nazis folgen jene der Tschechen bei der Vertreibung von Sudetendeutschen nach Kriegsende: "Es sind im Grunde noch viel schlimmere Dinge passiert, als ich im Film zeige", sagt Juraj Herz, "zum Beispiel wurden auch Kinder ermordet".

Klischee-Nazis

In Aufbau und Form unterwirft Juraj Herz die Geschichte weitgehend den Regeln des Unterhaltungskinos, bedient sich am dramatischen Potenzial des Stoffs und kommt auch nicht ohne bekannte Klischee aus, etwa der junge naive, aber dafür fanatische Nazi, der durch die Kriegsgräuel eines Besseren belehrt wird, oder der sadistische Sturmbannführer Koslowski.

In einem historisch-politischen Minenfeld wie der Nazi-Besetzung Tschechiens und der anschließenden Vertreibung der Sudetendeutschen bemüht sich Juraj Herz vor allem um eines: nur ja keinen Fehltritt begehen. Diese Vorsicht merkt man dem Film auch an.

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