Kampf um Gleichberechtigung geht weiter
Vier Jahrzehnte Frauenwahlrecht
Vor 40 Jahren votierte eine Mehrheit der Stimmbürger für die Einführung des Frauenstimmrechts. Inzwischen haben sich die Frauen in der Schweiz ihren Platz in der Politik gesichert, derzeit sind vier von sieben Regierungsmitgliedern weiblich. Doch von völliger Gleichberechtigung, vor allem in der Wirtschaft, kann wie in anderen Ländern auch noch immer nicht die Rede sein.
8. April 2017, 21:58
Mittagsjournal, 07.02.2011
Eines der letzten Länder
Es war ein historische Nachricht, die am 7. Februar 1971 im Schweizer Radio verkündet wurde. An diesem Tag hatten zwei Drittel der stimmberechtigten Männer an der Urne für das Frauenstimmrecht auf nationaler Ebene gestimmt. Damit räumte die sonst als Urdemokratie geltende Eidgenossenschaft als eines der letzten Länder der Welt den Frauen die politische Gleichberechtigung ein. Die ehemalige Politikerin Gabrielle Nanchen war eine der ersten zehn Frauen, die nach der Einführung des Frauenstimmrechts in den Nationalrat gewählt wurden. Sie erinnert sich an den historischen Tag zurück: "Das war eine Frage der Würde der Frauen."
Jahrzehntelanger Kampf
Doch der politischen Gleichberechtigung der Frauen war ein jahrzehntelangen Kampf vorausgegangen. Zuletzt lehnten 1959 zwei Drittel der stimmberechtigten Männer an der Urne das Frauenstimmrecht ab. So meinte ein Mann in einer Umfrage des Schweizer Fernsehens, dass Frauen ihren Platz im Haushalt und in der Armenpflege hätten, nicht aber in der Politik. Auch seine Ehefrau betonte, eine Frau gehöre in die Küche und in den Haushalt.
Protestmärsche kippten die Stimmung
Bis heute erntet die sonst als Urdemokratie geltende Eidgenossenschaft bis viel Kritik und Spott für die späte Einführung des Frauenstimmrechts. Die Gründe dafür lagen darin, dass im System der direkten Demokratie zunächst nur die Männer stimmberechtigt waren. Zudem herrschte die Tradition, dass der Mann nicht nur Herr im Haus war, sondern auch in Politik und Beruf. Erst Ende der 1960-er Jahre kippte die Stimmung. Frauenorganisationen zogen in Protestmärschen in die Bundeshauptstadt Bern und demonstrierten für die Gleichberechtigung. Und auch die Regierung und die politischen Parteien wollten auf das Stimmenpotenzial einer Hälfte der Bevölkerung nicht mehr verzichten.
Weniger aktiv
Heute haben die Frauen in der helvetischen Politik ihren Platz längst gefunden, vier von sieben Regierungsmitgliedern sind Frauen, im Nationalrat beträgt der Frauenanteil 30 Prozent. Das ist mehr als in vielen europäischen Ländern wie Frankreich oder Österreich. Doch bis heute üben die Schweizer Frauen bei Wahlen ihr Stimmrecht weniger aktiv aus als Männer, sagt der Politologe Claude Longchamp. Die Parteien blieben eine Bastion der Männer. Grund genug für die Schweizer Frauen, weiter für die Gleichberechtigung zu kämpfen, sagt Rosmarie Zapfl vom Bund Schweizerischer Frauenorganisationen.
Nachteile blieben
Auch im Beruf kämpfen die Frauen in der Schweiz wie in vielen anderen Ländern noch immer mit Nachteilen gegenüber Männern. Sie verdienen um acht Prozent weniger und in Spitzenpositionen von großen Unternehmen sind Frauen eine verschwindende Minderheit. Auch vierzig Jahre nach der Einführung des Frauenstimmrechts bleibt in der Schweiz bis zur Gleichberechtigung von Mann und Frau noch ein langer Weg.
93 Jahre Frauenwahlrecht in Österreich
In Österreich gilt das allgemeine Frauenwahlrecht übrigens seit der Wahlordnung zur konstituierenden Nationalversammlung vom 18. Dezember 1918. Die ersten Wahlen mit Beteiligung der Frauen fanden in Österreich am 16. Februar 1919.