Rollenfallen und Geiselmentalität

Die Feigheit der Frauen

Mit ihrem kritischen Journalismus hat sich die Deutsche Bascha Mika einen Namen gemacht. Jetzt hat die ehemalige Chefredakteurin der "taz" eine "Streitschrift wider den Selbstbetrug" herausgebracht. Das Buch hat in Deutschland schon vor dem Verkaufsstart für hitzige Debatten gesorgt.

Bewegung im Trippelschritt?

"Was ist bloß los mit uns Frauen?", fragt Bascha Mika gleich zu Beginn ihres Buches. Woran liegt es, dass in Sachen Gleichberechtigung nichts vorangeht? Wir sind klug und gut ausgebildet, selbstbewusst und eigenständig. Aber Emanzipation hin, Frauenförderung her, wenn es um die Karriere geht, stellen wir uns doch nur in die zweite Reihe.

Nicht immer sei es das System, das uns benachteilige, schreibt die Autorin. Es seien die Frauen selbst, die sich im Wege stünden: zu bequem zum beruflichen Aufstieg, zu konfliktscheu, zu feige, um die alten Rollenmuster zu überwinden. Öffentlich hätten sie der Männergesellschaft den Kampf angesagt, privat profitierten Frauen nach wie vor von deren Bestand, so Bascha Mika. Waren 100 Jahre Frauenbewegung also nur ein Schmierentheater?

"Nein, der Feminismus war keine Schmierentheater, und die Frauenbewegung selbstverständlich auch nicht", stellt die Journalistin klar. "Ich finde es sehr bitter, dass seit dem Ende der 1960er Jahre zunächst viel passiert ist, aber in den vergangenen zehn bis fünfzehn Jahren so gut wie nichts." Es gäbe zwar ganz kleine Trippelschritte, doch das sei "die Geschwindigkeit einer 120-jährigen Schnecke".

Stillstand in der Gleichberechtigung

Die Statistik gibt der Autorin soweit recht: Während Frauen noch bei Schul- und Studienabschluss die Nase vorne haben, sind sie in den Top-Positionen nach wie vor Exotinnen. So saßen in den Führungsetagen österreichischer Unternehmen laut Arbeiterkammer im letzten Jahr 627 Männern nur 33 Frauen gegenüber.

Aber auch in den unteren Etagen gibt es wenig Gleichberechtigung. Frauen verdienen in Österreich nach wie vor nur 81 Prozent des Männerlohns. In Sachen Gleichberechtigung geht also nichts voran. Aber wer behindert die Frauen am beruflichen Aufstieg? Die schwierigen Umstände oder doch nur der eigene Wille?

"In den vergangenen Jahrzehnten hat sich so wenig geändert, weil sowohl Unternehmen, als auch Politik, als auch die Männer immer auf die Frauen gucken konnten, die die ganze Verantwortung und die ganze Pflicht übernommen haben", erklärt Bascha Mika. "Dass Haus- und Kinderarbeit nichts gilt, dass man Frauen betrachtet, als würden sie in dieser Zeit nichts auf die Reihe kriegen, das liegt daran, dass es nur an den Frauen hängt: Es ist eine gesellschaftlich abgewertete Arbeit, denn in unserer Gesellschaft zählt nur das, was sich auch finanziell auszahlt."

Handeln statt schimpfen

Frauen seien im Geschlechterkampf aber weniger Opfer als Kollaborateure des Systems, schreibt Bascha Mika. Und statt auf die Gesellschaft und die frauenfeindlichen Strukturen zu schimpfen, fordert die Autorin alle Frauen auf, ihre eigene Mittäterschaft einzugestehen.

"Ja, wir haben diese Strukturen, und die sind Mist, aber wir müssen uns auch als Frauen überlegen, welchen Anteil wir daran haben, dass diese Strukturen so zählebig sind, und wie wir durch eigenes Handeln die Situation verändern können", fordert die Autorin. Wenn am Ende der Kette die Frauen sagen, "ja, ich mache alles, weil mein Mann nicht will, weil es keine Kinderplätze gibt, weil die Unternehmen keine familienfreundlichen Arbeitszeiten bieten", dann sei das mit ein Grund, warum sich so wenig ändere.

Von der Komfort- in die Kampfzone?

Bascha Mika bemüht zahlreiche Fallbeispiele aus ihrem Bekanntenkreis, um ihre These zu untermauern. Nämlich dass Frauen von ihren hochfliegenden Lebensplänen abweichen, sobald sie eine Familie gründen. Da wäre etwa Eva, die finanziell unabhängig und erfolgreich im Job sein wollte, bis die Kinder kamen, der Mann nicht zurückstecken wollte und sie zu Hause blieb - in der Komfortzone, wie sie Autorin Bascha Mika nennt.

Diese Komfortzone werde den Frauen versprochen und häufig angenehm ausstaffiert - sie sei aber "keine Kuschelecke, sondern eine Falle, ein Gefängnis, in das wir uns selbst hineinbegeben", so Mika. Die Rechnung bekommen Frauen dann präsentiert, wenn sie nach vielen Jahren der Kindererziehung wieder in den Beruf einsteigen oder die Ehe zerbricht - und das trifft in Österreich immerhin auf fast jede zweite Ehe zu. Aber warum lassen sich Frauen überhaupt in diese Komfortzone verweisen?

"Da ist zum einen das Versprechen, dass wir von unserem Umfeld und der Gesellschaft geachtet werden, wenn wir die traditionelle Frauenrolle annehmen. Wir bekommen keinen Gegenwind, im Gegenteil: Eine Frau in der traditionellen Rolle wird von ihrem Umfeld meist bestärkt", erklärt Mika. Weiters profitierten Frauen auch dadurch, dass sie keinen alternativen Lebensentwurf ausprobieren müssten.

Strategie der Provokation

Mit ihrer Streitschrift möchte sie die Frauen wachrütteln, sagt Bascha Mika, die selbst jahrelang als Chefredakteurin der überregionalen deutschen Zeitung "taz" Kariere machte. Dass sie mit ihrem Buch auch provoziert, nimmt die Autorin in Kauf.

Oft wirken ihre Angriffe aber weniger provokant als verletzend. Etwa wenn sie in einem Kapitel mit Verachtung von den gut ausgebildeten "Latte-Macchiato-Müttern" spricht, die die Selbstverwirklichung predigen und es sich doch nur in der Abhängigkeit gemütlich machen. Schon in den späten 1940er Jahren hieß es bei der Feministin Simone de Beauvoir, dass Frauen sich unterordneten, um den Anstrengungen des Lebens aus dem Weg zu gehen. Frauen für ihre Chancenungleichheit selbst verantwortlich zu machen, ist also nichts Neues. Neu ist bei Bascha Mika der streitbare Tonfall.

"Ich schimpfe nicht über Frauen und ich beschimpfe sie auch nicht, ich rede mit Frauen auf Augenhöhe", betont die Autorin. Sie kenne ihre eigene Feigheit und wisse, wie schwer es sei, sich an bestimmten Stellen gegen Rollenmuster zu wehren. Um eine bestimmte Klarheit in der Debatte zu erreichen, helfe manchmal eine Provokation, denn dann "steht etwas im Raum, und dann kann man sich daran reiben".

Mut und Leidenschaft

Bedauernswert ist, dass Mika in ihrer Streitschrift vor allem auf das Privatleben eingeht und der Arbeitsalltag ausgeklammert bleibt. Auch die Fallbeispiele wirken oft zu konstruiert, um aus dem wahren Leben gegriffen zu sein.

Was Bascha Mikas Buch "Die Feigheit der Frauen" dennoch lesenswert macht, ist die Leidenschaft, mit der die Autorin gegen den weiblichen Selbstbetrug anschreibt. Es ist eine Streitschrift, die mutig Position bezieht und die noch für einige Debatten sorgen wird.

"Das Buch heißt 'Feigheit der Frauen', aber letztlich geht es um Mut - Mut ist die andere Seite der Feigheit", stellt Mika fest, "meine Selbstbestimmung kann mir niemand anders geben - dafür muss ich selbst etwas tun." Ihr Appell ist: "Frauen, macht etwas, was eurem eigenen Lebensentwurf, euren eigenen Wünschen und Ansprüchen an euch selbst entspricht - weil dann ist die Chance, dass ihr ein erfülltes Leben habt, viel größer."

Service

Bascha Mika, "Die Feigheit der Frauen. Rollenfallen und Geiselmentalität. Eine Streitschrift wider den Selbstbetrug", C. Bertelsmann Verlag.

Random House - Die Feigheit der Frauen