Anglizismen in der deutschen Sprache

Kein Ort für Denkmalpfleger

Der Gebrauch bestimmter Wörter soll ja etwas signalisieren, beziehungsweise verbergen, etwa wenn wir an den Jargon mancher Politiker denken. Da kann schon einmal sprachliche Kreativität über einen Mangel an Ideen oder Erfolg hinwegtäuschen. Sehr beliebt sind da die angelsächsischen Kulturen, dominant sind englische Wörter.

Kulturjournal, 25.02.2011

Die Sprache der Geschäftigkeit treibt dieser Tage seltsame Blüten. Wer seine management skills verbessern will, sollte die soft skills nicht vernachlässigen. Beim Brainstorming kommen uns die besten Ideen. Und Feedback holen wir uns beim täglichen Meeting. Doch auch in der Freizeit schmücken wir uns gerne mit fremden Federn: Wir relaxen am Pool, feiern beim Afterwork-Clubbing und sehen zur Primetime fern.

Tausende Anglizismen haben Eingang in die deutsche Sprache gefunden und das treibt den Sprachhütern und Sprachpuristen die Sorgenfalten auf die Stirn. Vor allem im Geschäftsleben, in der Welt der PR und Werbung schätzt man diese geborgte Sprache. Die Absicht, die dahinter steckt, ist banal und leicht zu durchschauen: Anglizismen sollen Internationalität und Expertentum signalisieren.

Werbeslogans verstehen

Beim Verständnis hapert es trotzdem. Das hat der deutsche Werbefachmann Bernd Samland herausgefunden. Für eine Studie hat Samland vor einigen Jahren 1.104 repräsentativ ausgewählte Personen englische Werbeslogans übersetzen lassen. Das Ergebnis war gelinde gesagt mager. Ganz offensichtlich können viele Konsumenten die flotten Sprüche aus der Werbung nicht übersetzen. Das müssen sie auch nicht, sagt der Sprachwissenschaftler Richard Schrodt: "Die Werbesprache muss ja ins Expressive und Emotionelle ausweichen und da sind die englischen Ausdrücke sehr funktionell", so Schrodt. Es sei das Trendige, das Moderne, das einen gewissen Werbeeffekt erzielt.

Wer achtet also auf den Content, wenn das wording stimmt? Schließlich klingt "Be inspired" einfach glamouröser als "Lass dich inspirieren". Während die einen gegen den sogenannten angloamerikanischen Sprachimperialismus wettern, der sich im Windschatten der Globalisierung ungebremst ausbreitet, kommentiert der Sprachwissenschaftler die Lage nüchtern:

"Es hat natürlich Fremdwörterwellen gegeben - lateinische Welle, auch französische -, die zum Teil kulturgeschichtliche Gründe gehabt haben. (...) Das Zweite ist, dass sich Fremdwörter sozusagen ihren eigenen Gebrauchsbereich schaffen. Das ist im Grunde genommen eine Form des Ausbaus von Sprache, insofern etwas Gutes. Beispiel downloaden: Man kann alles Mögliche runterladen, von einem Lastwagen zum Beispiel, aber man kann nur Dateien downloaden."

Lebendige Sprache ohne Stillstand

Die Sprache also ist kein Ort für Denkmalpfleger. Wer sprachliche Entwicklungen als Degenerations- und Verfallsgeschichte liest, gehe in eine Sackgasse, sagt Richard Schrodt. Denn in einer lebendigen Sprache gibt es keinen Stillstand und damit keine für alle Zeiten gültigen Normen.

Wem so mancher Anglizismen trotzdem auf die Nerven geht, der sei daran erinnert, dass die deutsche Sprache in ihrer Geschichte schon so manche Modeerscheinung unbeschadet überstanden hat. Das merkt zum Beispiel, wer in Johann Nestroys Theatertexten blättert. Zu Nestroys Zeiten war das Französische, die Sprache der Aristokratie, nun ja - en vogue. Französischen Modewörter und Manierismen seiner Zeitgenossen hat Nestroy gewohnt meisterhaft parodiert.

Auch hierzu eine kleine Kostprobe: Im "Talisman" bescheinigt die Frau von Cypressenburg Titus Feuerfuchs eine gute "Tournüre" sowie eine "agreable Fasson". Natürlich nur weil der listenreiche Titus die rote "Couleur" seiner Haare unter einer Perücke verbirgt. Doch während Nestroy so mancher französischer Sprachmarotte seiner Zeit mit Humor begegnete, meinen es andere ernst.

Hüter der deutschen Sprache

"Weniger Englisch im Alltag", liest man, wenn man die Internetseite des "Vereins Deutsche Sprache" öffnet. 1997 vom Dortmunder Wirtschaftswissenschaftler Walter Krämer gegründet, zählt der Verein heute knapp 32.000 Mitglieder. Darunter viele Prominente wie zum Beispiel Otto von Habsburg, der Schriftsteller Ilija Trojanow, der Kabarettist Didi Hallervorden und - man staune! - Peter Kraus, der doch anno dazumal als Repräsentant der entschärften Spielart des Rock'n'Roll sozusagen am Anfang der Amerikanisierungswelle stand. Sugar Baby war also gestern!

Die Kernforderung des "Vereins Deutsche Sprache" lautet:

Wir wollen der Anglisierung der deutschen Sprache entgegentreten und die Menschen in Deutschland an den Wert und die Schönheit ihrer Muttersprache erinnern. Die Fähigkeit, neue Wörter zu erfinden, um neue Dinge zu bezeichnen, darf nicht verloren gehen.

Sprachpanscher werden geoutet

Der Verein schreibt Protestbriefe an Firmen und öffentliche Einrichtungen, die "mit sprachlichen Fehlleistungen aufgefallen sind" und wählt den so genannten "Sprachpanscher des Jahres", also eine Person des öffentlichen Lebens, die ein besonders schlechtes Beispiel abgibt. 1997 wurde diese Ehre der deutschen Designerin Jil Sander zuteil. Ein Auszug aus einem ihrer Interviews verrät warum:

"Ich habe verstanden, dass man contemporary sein muss, das future-Denken haben muss. Meine Idee war, die hand-tailored-Geschichte mit neuen Technologien zu verbinden. Und für den Erfolg war mein coordinated concept entscheidend, die Idee, dass man viele Teile einer collection miteinander combinen kann."

Doch der "Verein Deutsche Sprache" verdammt den Gebrauch englischer Wörter nicht grundsätzlich. Wörter wie "fair", "fit" oder "Interview" sind Teil des deutschen Sprachgebrauchs und sollen es auch bleiben. Dass die öffentlichkeitswirksame Kür des "Sprachpanschers des Jahres" durchaus dabei helfen kann, eine Diskussion über Sinn und Unsinn sprachlicher Modeerscheinungen anzuregen, hat sich in der Vergangenheit jedenfalls gezeigt.

Textfassung: Ruth Halle

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