Bauernhöfe sanieren statt abreißen

Weiterbauen am Land

Das Abreißen und Neubauen von Bauernhäusern betrachten immer noch viele Hofbesitzer als einzige Lösung. In der Ausstellung "Weiterbauen am Land", die im Archiv für Baukunst in Innsbruck zu sehen ist, sollen Alternativen aufgezeigt werden: Die Präsentation von 70 Musterhöfen aus dem alpinen Raum zeigt, wie groß das Spektrum der Möglichkeiten ist: vom sanft sanierten Bauernhaus bis zum entkernten Luxus-Stall.

Kulturjournal, 02.03.2011

Retten, was noch zu retten ist

Eine EU-Kuh passe nicht in einen gotischen Stall. Mit diesem Bild bringt Architekt Walter Hauser vom Tiroler Denkmalamt die Problematik auf den Punkt. Auf seine Initiative hin ist die Ausstellung "Weiterbauen am Land" zustande gekommen - er will retten, solange es noch etwas zu retten gibt, sprich: in Tirol stehen noch 4.100 Bauernhäuser, knapp die Hälfte sei von kulturellem Wert, so Hauser.

Das Zielpublikum für diese Ausstellung sind nicht nur intellektuelle Städter, die sich mit der Sanierung alter bäuerlicher Substanz einen Lebenstraum erfüllen, sondern die bäuerliche Bevölkerung selbst, Bewohner der alten Gehöfte. Die will Hauser mit dieser Dokumentation von 70 Muster-Höfen erreichen. Nach der Eröffnung in Innsbruck soll die Ausstellung durchs Nord und Südtirol touren und vor allem an landwirtschaftlichen Schulen gezeigt werden.

Bewusstseinsbildung notwendig

Nur 390 Höfe stehen in Tirol unter Denkmalschutz, doch die rechtliche Unterschutzstellung allein sei nicht genug, ist Hauser überzeugt. Es geht um Bewusstseinsbildung, darum, den Wert der alten Gemäuer zu erkennen und schätzen zu lernen. Ein Bauernhaus mit 400 Quadratmetern Wohnfläche, wer kann sich das schon leisten; neue Wohnmodelle sind gefragt.

In der Schweiz hat man schon in den 1930er/40er Jahren begonnen, die alpine Bausubstanz zu vermessen und behutsam zu sanieren, während das Interesse hier zu Lande erst langsam gewachsen ist.

Dr. Christoph Hölz vom Institut für Baukunst ist Mitherausgeber des informativen Katalogs. Darin finden sich behutsame Sanierungen wie der Nordtiroler Knobenhof genauso wie spektakuläre Beispiele, etwa das Atelier Bardill von Architekt Valerio Olgiati im Schweizer Scharan. Für den Neubau aus rostrotem Ortbeton wurde ein alter Stall abgerissen. Nach anfangs heftigen Diskussionen ist das Atelierhaus heute ein Teil der Dorfgemeinschaft.

Das ganz alltägliche Weiterleben

Nicht nur die Stararchitekten für alpines Bauen wie Peter Zumthor oder Gion Caminada sollen im Vordergrund stehen, sondern auch das ganz alltägliche Weiterleben der alten Gemäuer. Ein großes Thema sind dabei die Materialien: früher reduzierte man sich auf die wenigen verfügbaren - Holz, Stein, wenig Glas -, die heute angebotene Fülle treibt fröhliche Urstände in der Kombination.

Afolf Loos schrieb 1913 in den Regeln für den, der in den Bergen baut, seine heute immer noch gültige, nachvollziebare Ansichten: Wenn du es nicht besser weißt, mach es wie die Alten!

Die 70 auserwählten Beispiele zeigen nicht die Lösung, sondern die Notwendigkeit, individuell auf die einzelnen Bauten einzugehen. Die Vorzeige-Höfe sollen Bauernhofbewohnern als Anregung dienen. Ein neuer Besen kehrt zwar gut, ein alter kennt aber die Ecken - und Ecken machen das Leben bekanntlich spannender.

Service

Buch: Archiv für Baukunst-Architektur u., Christoph Hölz, Walter Hauser (Hrsg.) "Weiterbauen am Land Verlust und Erhalt der bäuerlichen Kulturlandschaft in den Alpen", StudienVerlag

Archiv für Baukunst