Debatte über Zukunft der Atomenergie

Atomkraftland Frankreich

Die Atomkatastrophe in Japan hat nun auch Auswirkungen auf das europäische Atomkraftland par excellence - auf Frankreich. Grüne und Umweltschutzorganisationen fordern jetzt vehement zumindest eine große und offene Debatte über die Zukunft der Atomkraft, manche sogar ein Referendum.

Mittagsjournal 15.03.2011

Ältere Atomanlagen

Seit dem Wochenende erinnert sich Frankreich wieder daran, dass sechs seiner Atomanlagen ebenfalls in zumindest leicht erdbebengefährdeten Gebieten stehen, darunter das im elsässischen Fessenheim, das bereits seit 1977 in Betrieb ist. Man erinnert sich auch, dass die Mehrzahl der Reaktoren im Land heute zwischen 25 und 30 Jahre alt ist, dass es in den 1970-er Jahren zwei partielle Kernschmelzen gegeben hat und 1999, während des Sturmtiefs Lothar eine Atomanlage überschwemmt wurde. Die Notagregate zur Kühlung waren erst im letzten Moment angesprungen.

Grüne fordern Referendum

Doch vereinzelte Demonstrationen der letzten Tage zählten hierzulande nicht mehr als 200 bis 300 Teilnehmer. Trotzdem: Frankreichs Grüne fordern, noch vor den Präsidentschaftswahlen 2012, ein Referendum über die Zukunft der Atomenergie. Daniel Cohn-Bendit: "Ich bin für eine große politische Debatte über dieses Thema und finde es unglaublich, dass man uns sagt, wir würden das Unglück Japans instrumentalisieren, weil wir jetzt diskutieren wollen. Dabei diskutiert die ganze Welt, nur in Frankreich sagt man uns, das sei schamlos."

Sarkozy: " kein Automausstieg"

Staatspräsident Sarkozy aber, der seit Jahren die Rolle des Handelsvertreters für französische Atomtechnologie übernommen hat, sagte gestern gegenüber Vertretern von Umweltschutzorganisationen ganz klar: ein Atomausstieg in Frankreich kommt nicht in Frage. Pascal Hesting , Chef von Greepeace Frankreich: "Das menschliche Drama, das sich in Japan ereignet, stellt ganz offensichtlich Frankreichs Atompolitik nicht in Frage und vor allem auch nicht die Exportpolitik der Atomkonzerne EDF und AREVA. Unserer Meinung nach müsste Frankreich dem deutschen Beispiel folgen."

Gesundheitsminister ruft zum Vernunft

Doch der für Atomkraft zuständige Industrieminister zeigt sich ebenso unnachgiebig wie Gesundheitsminister Bertrand: "Wenn ich diese Umweltschützer und Grünen sehe, wie sie sich in die Debatte stürzen und sagen , man müsse alles stoppen und sogar aus der Atomkraft aussteigen, da kann ich nur sagen bleiben wir vernünftig."

Atomenergie: "Staat im Staat"

Das Problem für AKW-Gegner in Frankreich: Die Atomindustrie und ihre mächtige Lobby ist eine Art Staat im Staat, rund 120 000 Arbeitsplätze hängen von der Atomkraft ab, der Atomkonzern AREVA hat einen Jahresumsatz von über neun Milliarden Euros und die traditionelle politische Elite des Landes, ob Kommunisten, Sozialisten oder Konservative, ganz zu schweigen von den Gewerkschaften sind seit jeher und immer noch ganz überwiegend für die Atomkraft.