Experte lobt Katastrophenmanagement
"Regierung informiert angemessen"
Außerhalb Japans erweckt die Informationspolitik der japanischen Regierung oft den Eindruck, dass die Katastrophe heruntergespielt wird. Der deutsche Krisenforscher Frank Roselieb meint aber im Ö1-Morgenjournal, die japanische Regierung reagiere angemessen auf eine Katastrophe dieses Ausmaßes.
8. April 2017, 21:58
Morgenjournal, 17.03.2011
Regierung braucht Zeit
Roselieb, Direktor des Instituts für Krisenforschung an der Universität in Kiel, unterscheidet zwischen Krisen-und Katastrophenmanagement. Krisenmanagement finde etwa bei Lebensmittelskandalen statt, da müsse die Regierung in die Offensive gehen, um Schlimmeres zu verhindern. Anders sei das beim Katastrophenmanagement, wenn der Schaden bereits eingetreten sei, sagt Frank Roselieb. Bei einem Katastrophenmanagement wie in Japan sei es in den ersten fünf, sechs Tagen normal, die Bevölkerung nur schrittweise zu informieren. Man könne den Menschen nur helfen, mit der Situation umzugehen. Und da habe es sich als sinnvoll erweisen, nicht gleich den höchsten Alarmzustand auszurufen. Denn dann würde die Regierung von Menschen überrollt werden, die evakuiert werden wollen und sie hätte ihr Katastrophenmanagement noch gar nicht vorbereitet. Vielmehr müsse immer so viel Information herausgegeben werden, dass die Bevölkerung darauf reagieren kann.
Lügen verboten
Die Regierung brauche einen gewissen Vorlauf, um Auffanglager aufzubauen, Transportwege einzurichten und medizinische Versorgung einzurichten. Jedoch dürfe die Regierung nicht lügen, betont Frank Roselieb. "Nicht sinnvoll wäre auch das Verschweigen von Tatsachen, die offenkundig sind."
Frist bis Freitag
Die Katastrophenphase dauere drei Wochen. In dieser Zeit müsse die Regierung mediale Präsenz zeigen, denn es herrsche noch Unordnung und Chaos, sagt Frank Roselieb. Besonders kritisch seien immer die ersten fünf bis sieben Tage. "Ich würde eine erste Zwischenbilanz am Freitag dieser Woche ziehen. Bis dahin müsste die japanische Regierung so weit sein, dass sie alles Nötige zum Katastrophenmanagement aufgebaut hat. Und dann müssten die Menschen in Echtzeit über die Entwicklung informiert werden. Dann gilt die Ausrede, dass man sich in einer Katastrophe befindet und nur in homöopathischen Dosen informieren kann, nicht mehr."
Jahrzehntelange Schulung
Die japanische Bevölkerung vertraue ihrer Regierung, denn kein anderes Land sei so gut auf Katastrophen vorbereitet wie Japan. Seit Jahrzehnten würden schon Kleinkinder über den Katastrophenschutz informiert und darin geschult, sagt Roselieb: "Außerdem ist die japanische Bevölkerung sehr stark überaltert. Das hat zumindest in dieser Situation den großen Vorteil, dass sie sehr viele Menschen mit Lebens- und Berufserfahrung haben, die mit solchen Fällen auch wesentlich gelassener umgehen."
Vertrauen in Regierung
Dazu komme, dass die japanische Bevölkerung etwas obrigkeitshöriger sei als in Europa üblich und daher ihrer Regierung vermutlich etwas mehr vertrauen würden, meint der Kieler Wissenschaftler. "Und sie haben auch jeden Grund, ihrer Regierung zu vertrauen, denn die haben sich über die ganzen Jahrzehnte sehr gut vorbereitet. Und die ernten jetzt die Rendite all dessen, was sie bisher in das Katastrophenmanagement investiert haben."
Hingegen sei in den ersten Tagen die Abstimmung zwischen dem Betreiber des Atomkraftwerks Fukushima und der japanischen Regierung nicht sehr gut verlaufen, glaubt Frank Roselieb.
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