Ausstellung in Warschau

Design der 1950er Jahre

"Wir wollen modern sein", das verkündeten Mitte der 1950er Jahre Künstler und Designer im kommunistischen Polen. Nach dem Tod Josef Stalins im März 1953 wurde eine Lockerung der politischen Machtstrukturen durchgesetzt, auch von der Doktrin des Sozialistischen Realismus als verordnete Staatskunst wurde abgelassen.

Dem Gebrauchsdesign dieser Phase des Aufbruchs ist derzeit eine Ausstellung im Nationalmuseum in Warschau gewidmet. Zusammengestellt wurde sie von der Kunsthistorikerin Anna Frackiewicz.

"Sehr schnell, eigentlich innerhalb von zwei Jahren, hat sich ein neuer Stil in Polen etabliert", erzählt sie. "Der Anfang dieser Entwicklung ist mit 1956, als die Entstalinisierung beschlossen wurde, zeitlich genau festlegbar, und eigentlich war sie 1960 auch schon wieder am Ausklingen. Wir haben den zeitlichen Rahmen unserer Ausstellung jedoch bis 1968 erweitert, da bis dahin vereinzelt wundervolle Designs entstanden sind."

"Wir wollen modern sein"

Man traf sich in mondänen Cafés, hörte polnischen Jazz und im Theater wurden Werke von Beckett, Ionescu oder Sartre gespielt. Großen Einfluss auf die Formgebung dieser Zeit hatten Künstler wie Jackson Pollock, Henry Moore und Pablo Picasso, aber auch Wissenschaft und Technologie, Raumfahrtästhetik und Atomstrukturen.

Es entstanden Alltagsobjekte in organischen, asymmetrischen Formen und wilder Farbgebung: von Kameras, Telefonen und Autos, über Möbelensembles bis hin zu Keramikdekor und Glasvasen. Die Forderung "Wir wollen modern sein" war dabei weder parteipolitisches Programm noch Werbeslogan.

"'Wir wollen modern sein' lautete der erste Satz eines Manifests, das im Magazin 'Projekt' abgedruckt wurde und die strahlende Zukunft beschwor", so Frackiewicz. "Mitgestaltet werden sollte diese Zukunft von Künstlern, Musikern und vor allem Designern."

Design "zum Angeben"

Die kurzzeitige Abkehr vom Personenkult um Stalin und dessen rigidem Herrschaftssystem brachte für Kreative in Polen vorübergehend neue Freiheiten. Doch zum Großteil blieb es beim gestalterischen Experiment: Die Avantgarde wurde, noch bevor sie ihren Eingang in die polnischen Haushalte finden konnte, schon wieder abgeschafft.

"Das kommunistische Regime war bemüht, nach außen hin zu demonstrieren, dass alles großartig funktionierte", meint Frackiewicz. "Design wurde auf internationalen Ausstellungen benutzt, um anzugeben. Aber die präsentierten Objekte waren - anders als international dargestellt wurde - nur Prototypen. Von Massenanfertigung, wie die Entwerfer sie anstrebten, um gutes Design allen zugänglich zu machen, war keine Rede."

Begehrte Sammlerobjekte

Die Möbelstücke des polnischen Avantgarde-Designs sind heute gefragte Sammlerobjekte. Reproduktionen werden in Design-Shops angeboten, und die hohen Besucherzahlen der Warschauer Ausstellung "Wir sind modern" zeugen von regem Interesse an dieser in Vergessenheit geratenen Epoche polnischer Gebrauchskunst.

Manche der ausgestellten Objekte, meint die Kuratorin Anna Frackiewicz, sind selbst für die Gegenwart noch zu fortschrittlich. Etwa ein von einer polnischen Designerin entworfenes Sitzmöbel für Klassenräume, dessen aufklappbarer Tisch auch als Sessellehne genutzt werden kann. Mit einer Bewegungsfreiheit von 360 Grad und frei wählbarer Sitz- und Schreibposition, ist das Möbelstück mit traditionellem Frontalunterricht auch heute noch nicht vereinbar.