Alien-Komödie "Paul"

Reverenz an Steven Spielberg

Dass Steven Spielberg einer der einflussreichsten Regisseure der Gegenwart ist, daran besteht kein Zweifel. Mitte der 1970er Jahre prägt er mit seinem Überraschungs-Welterfolg "Der weiße Hai" den Begriff der "Blockbusters", der die Filmindustrie immer noch anleitet.

"Hochkonzeptkino" nennt Spielberg sein dramaturgisches Prinzip selbst: Die grundlegende Idee eines Films muss in maximal 25 Wörtern zusammengefasst und vermittelt werden können. Spielbergs Kino verbindet Kommerz und Kunst nahtlos und gilt vielen jüngeren Kollegen deshalb nach wie vor als Ideal innerhalb einer immer unpersönlicher werdenden Industrie. Diese Woche läuft mit der Science-Fiction-Komödie "Paul" ein Film in den österreichischen Kinos an, der sich vor dem filmischen Universum Steven Spielbergs verbeugt.

Begegnung der dritten Art

Clive und Graeme sind zwei Aliens in den USA: Die britischen Freunde touren durch das weite Land, wollen mit ihrem Wohnmobil eine legendäre UFO-Route abfahren, die sie natürlich auch an der Area 51 vorbei führt. Unweit dieser Keimstätte außerirdischer Mythen haben sie dann tatsächlich eine Begegnung der dritten Art: Nach einem Unfall lesen sie den Alien Paul auf - eine grauhäutige, schlanke Kreatur mit gewaltigen Augen, die ansonsten allerdings aus dem Außerirdischen-Klischeebild ausschert: Paul raucht, kifft, trinkt Alkohol, flucht und wird außerdem von einer hoch geheimen Regierungsorganisation gejagt, die ihn eigentlich vor der Öffentlichkeit versteckt halten soll.

Geschrieben haben diesen Pilgergang durch die amerikanische Popkultur die beiden Briten Simon Pegg und Nick Frost. Wiewohl ihr "Paul" Referenzen auf diverse Spektakelfilme aufbietet, so ist es doch das Kinouniversum von Steven Spielberg, das in ihrem Drehbuch am eindeutigsten zitiert, verehrt und gleichzeitig ironisch aufgelockert wird.

Die nächste Generation

"Paul" ist die Meta-Version eines Spielberg-Werks: Anstatt seine Filme nachzubauen, werden deren Charakteristika in eine neue Erzählung eingewoben. Der bärtige Regisseur selbst ist in Greg Mottolas "Paul" bereits ein Mythos, eine unwirkliche Figur, ähnlich außerirdisch wie E.T.

In einer besonders gelungenen Sequenz telefoniert Paul dann sogar mit Steven Spielberg, während er in der Lagerhalle aus dem Schlussbild von "Jäger des verlorenen Schatzes" sitzt.

Regisseur Greg Mottola filmt aus einer Fan-Perspektive. Das gesamte Spielberg-Werk ist hier bereits verdaut und Teilstück einer Mythologie, errichtet aus Hollywood-Spektakeln der letzten 30 Jahre. Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass hier eine neue Filmemacher-Generation am Werk ist, eine, die mit "Indiana Jones" und "Jurassic Park" aufgewachsen ist und jetzt selbst hinter der Kamera Platz genommen hat. So wie J. J. Abrams: Der Schöpfer von Fernsehphänomenen wie "Lost" und "Fringe" legt grad letzte Hand an einen der größten und sehnlichst erwarteten Filme des kommenden Sommers. "Super 8" erzählt von einer Gruppe von sechs Kindern, die mit einer Super-8-Kamera einen Zombiefilm drehen wollen. Zufällig werden sie Zeugen, wie ein Güterzug entgleist und wie etwas Übernatürliches aus einem der Waggons steigt.

Kindlicher Blick

"Super 8" ist laut Regisseur Abrams ein Liebesbrief an das Kino von Steven Spielberg, der selbst als Jugendlicher begonnen hat, mit einer 8mm-Kamera Filme zu drehen. Wenn man so will, dann fokussieren sowohl "Paul" als auch "Super 8" Hauptfiguren, die entweder Kinder sind oder sich wie Kinder verhalten. Ein Hauptcharakteristikum von Spielbergs Frühwerk ist immerhin der unschuldige, neugierige und nicht verurteilende Blick auf Phänomene, die Erwachsene mit Kopfschütteln, Schulterzucken oder Schreikämpfen quittieren.

Kinder und ihre Vorstellungswelten nimmt dieser Regisseur sehr ernst, und er mutet ihnen einiges zu: Spielbergs Abenteuerkomödie "Indiana Jones und der Tempel des Todes" und der von ihm produzierten Horrorsatire "Gremlins" ist es etwa zu verdanken, dass in Amerika Ende der 1980er Jahre die neue Altersfreigabe PG-13 eingeführt wird, die alle Besucher unter 13 Jahren des Saales verweist. Die Zensoren befinden damals, Bilder von aus dem Leib gerissenen Herzen und asozialen Monstren seien einem jungen Publikum nicht zuzumuten. Spielberg selbst wusste aber immer schon ganz genau, wie es in Kindern aussieht und was sie auf der Leinwand sehen wollen.

Verdichtete Geschichten

Die Kinder von damals sind die Regisseure von heute: Auch der deutsche Filmemacher Roland Emmerich gilt als großer Verehrer von Spielbergs Kinowelten. Sein deutsch-amerikanischer Fantasyfilm "Joey" aus dem Jahr 1985 erzählt von einem neunjährigen Buben, der seinen Vater verliert und daraufhin in eine Fantasiewelt abrutscht.

Emmerichs "Joey" emuliert Spielbergs Kino stilistisch und vollinhaltlich, bis hin zu den komplexen Vater-Sohn-Beziehungen, die dessen Filme immer anleiten. Daran lässt sich ablesen, dass es eben nicht nur die perfekte Tricktechnik oder die oft übersinnlichen Geschichten sind, die einen Eindruck hinterlassen, vielmehr ist es Spielbergs Autorenhandschrift, ein "high concept" mit glaubwürdigen Figuren, Handlungsfäden und Spannungsmomenten zum Generationen übergreifenden Unterhaltungsfilm auszuformen, die nachfolgende Regisseure zum Nacheifern animiert.

Der Amerikaner D. J. Caruso ist ein aktueller Protegé: In seinen von Steven Spielberg mitproduzierten Thrillern wie "Disturbia" oder "Eagle Eye" verdichtet er die Geschichten genau wie sein Mentor auf schnell verständliche, vor allem bildmächtige Sequenzen. Schauplätze sind entweder nostalgisch und warm gezeichnete Vorstadtsiedlungen oder futuristisch anmutende, mit High-Tech angefüllte Großstädte. Die USA, wie Steven Spielberg sie sieht, eben.

Weitergeführte Traumwelten

Das Kino von Steven Spielberg wird noch in Jahrzehnten kopiert werden. Vor allem da er als Geschichtenerzähler einen Weg in die Vorstellungswelt von Kindern und Jugendlichen gefunden hat. Und alle, die vor zehn oder zwanzig Jahren mit großen Augen Indiana Jones beim Peitschenschwingen oder den Dinosauriern aus "Jurassic Park" bei der Beutejagd zugesehen haben, wollen ihre Erinnerungen wieder einfangen. Und wo macht man das besser als im Kino. Entweder als Betrachter oder als Schöpfer von Traumwelten.

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