Ungarischer Dirigent im Interview

Ádám Fischer kritisiert Orbán

Dirigent Ádám Fischer ist einer der prominentesten Kritiker von Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbáns. Derzeit hält sich Fischer in Wien auf: Am Ostersonntag wird er im Musikverein das traditionelle Frühlingskonzert der Wiener Symphoniker dirigieren. Im Interview spricht er über die aktuelle Lage in Ungarn.

Mittagsjournal, 22.04.2011

Der renommierte ungarische Musiker nimmt immer wieder zu den politischen Entwicklungen in Ungarn Stellung. So rief er gemeinsam mit dem Pianisten András Schiff Künstlerkollegen zum Protest gegen das umstrittene neue Mediengesetz auf, weil es die Freiheit der Medien und der Kunst einschränke, und machte auf den wachsenden Antisemitismus und die Roma-Feindlichkeit in Ungarn aufmerksam.

Bereits im vergangenen Jahr hatte sich Fischer von der Ungarischen Staatsoper zurückgezogen, weil die Regierung massiv in den Betrieb interveniert habe.

Frühling mit Wiener Symphonikern

Einen musikalischen Frühlingsgruß senden die Wiener Symphoniker alljährlich mit ihrem Konzert "Frühling in Wien" - heuer unter der Leitung Fischers. Angesichts der politischen Entwicklungen in seiner Heimat ist dem Künstler weit weniger fröhlich zumute.

Lange schon kritisiert er die Politik der rechtskonservativen Regierung unter Viktor Orbán. Aktuell stößt er sich an der neuen ungarischen Verfassung, die das Parlament diese Woche verabschiedet hat und wohl auch beim Staatspräsidenten Pal Schmitt ihre Zustimmung finden wird. Mit der Verfassung wolle die Regierung Orbán ihre Macht auf viele Jahre einzementieren, so Fischer.

Wichtige Positionen besetzt

"Es werden persönliche Mitarbeiter des Premierministers in Positionen gehoben, wo sie laut Verfassung für zwölf oder mehr Jahr bleiben und jede andere Richtung in der Politik verhindern sollen. Diese Verfassung bringt leider sehr viel Schlimmes und die Auswirkungen werden wir erst in ein paar Jahren sehen", befürchtet Fischer.

Dass sich die Verfassung auf Gott, das Vaterland und den Nationalstolz berufe, könne man als "operettenhaftes Geschwafel" abtun, so Fischer. Eine Gefahr sieht der Künstler allerdings für ethnische Minderheiten oder Homosexuelle, deren Grundrechte in der neuen Verfassung beschnitten würden.

Antisemitismus und Roma-Feindlichkeit

Bereits im vergangenen Februar hatte Fischer öffentlich den wachsenden Antisemitismus und die Roma-Feindlichkeit in Ungarn angeprangert - Anlass war die Kampagne einer regierungsnahen Zeitung gegen den Pianisten András Schiff.

Gegen solche Entwicklungen öffentlich aufzutreten, sei ein Gebot der Stunde, Ádám Fischer: "Diesem Mechanismus müssen wir Künstler versuchen, entgegenzuwirken. Politiker nützen diesen Mechanismus aus, leben davon und kriegen Stimmen, wenn sie auf die EU und auf Minderheiten schimpfen. Wir müssen irgendwas machen, aber ich bin ziemlich pessimistisch, was die ungarische Entwicklung angeht."

Kritik an Mediengesetz

Gemeinsam mit András Schiff hat Fischer das neue Mediengesetz kritisiert und im Internet die Initiative "Künstler gegen Rassismus" ins Leben gerufen - die Solidarität seiner ungarischen Kollegen halte sich allerdings in Grenzen, so Fischer.

"Wir sind die Glückliche, die von der Regierung finanziell unabhängig sind. Denn es ist auch eine Politik der Regierung, die Künstler abhängig zu machen. Einer, der hauptsächlich in Ungarn arbeitet und seine Existenz vom Wohlwollen der Regierung abhängt, traut sich nicht. Die Regierenden sind ziemlich rachsüchtig."

Interventionen in Opernbetrieb

Den politischen Druck auf die Kunst- und Kulturszene hat Fischer als Generalmusikdirektor der Ungarischen Staatsoper selbst zu spüren bekommen. Als ihm die Interventionslust der Regierung in den künstlerischen Betrieb des Hauses zu viel wurde, legte er seine Funktionen im vergangenen Herbst nieder und will dem Haus nach der laufenden Saison vollständig den Rücken kehren.

Textfassung: Rainer Elstner