Tipps zu dauerhaften Verhaltensänderungen
Switch
Egal, ob man mit dem Rauchen aufhören, keine fetten Hamburger mehr essen oder den Job wechseln will, jeder weiß: Es ist nicht leicht, gute Vorsätze in die Tat umzusetzen. Ein Buch will uns den Weg dazu erleichtern: "Switch. Veränderungen wagen und dadurch gewinnen!", so der Titel des neuesten Buchs des amerikanischen Bestseller-Duos Chip and Dan Heath.
8. April 2017, 21:58
"Wir sagen immer, Veränderung sei schwer", sagt Chip Heath im Interview. "Aber jeden Tag heiraten Menschen und bekommen Kinder. Dies sind sehr große Veränderungen, berühren uns aber emotional, wie es viele kleinere Veränderungen nicht tun. Dies war eine Erkenntnis aus unseren Forschungen: Wir können eine Veränderung nicht mit unserem bloßen Willen erreichen, Veränderung beginnt mit einem Gefühl."
Chip Heath, Professor für Organizational Behaviour an der Stanford University, und sein Bruder Dan, ein Unternehmensberater, haben Forschungsergebnisse aus Psychologie, Soziologie und Neurolinguistik studiert. Daraus haben die Brüder, die unter anderem Nike, Microsoft und die US-Navy beraten, überraschend einfache und alltagstaugliche Strategien destilliert.
"Die Buchläden sind voll von Ratgebern für die verschiedensten Lebenslagen: wie wir am besten abnehmen, unsere Kinder erziehen oder unsere Zeit organisieren", so Heath. "Auf den ersten Blick haben diese Probleme miteinander nichts gemein. Letztlich ist es aber doch so: Damit sich etwas verändern kann, muss jemand sich anders verhalten. Und plötzlich erkennt man ein Muster, das man für alles anwenden kann - egal ob man seine Ernährung verändern oder den Job wechseln will."
Zwei Bereiche des Gehirns im Clinch
In den USA eroberte das Buch der Brüder Heath auf Anhieb Platz 1 der Bestsellerlisten sowohl des "Wall Street Journals" als auch der "New York Times". Doch einfach zu "switchen", wie der Titel des Buchs suggeriert, ist es nicht. Wir kennen es alle: Ein Teil von uns möchte um sechs Uhr aufstehen, damit wir genügend Zeit haben, noch joggen zu gehen, bevor wir ins Büro fahren. Der andere Teil wünscht sich nur eines: noch ein paar Minuten zu schlafen.
"Hier liegen zwei Seiten unseres Gehirns miteinander im Clinch: die emotionale und die rationale. Die emotionale Seite ist diejenige, die instinktiv reagiert, die Schmerz und Freude empfindet. Die rationale Seite denkt nach, analysiert und schaut in die Zukunft. Der Teil weiß genau, wir sollen diesen Keks jetzt nicht essen, aber unsere emotionale Seite gelüstet es geradezu danach. Leider ist die emotionale Seite bei den meisten von uns die stärkere."
Die Brüder Heath haben für dieses Dilemma ein griffiges Bild: Danach ist unsere emotionale Seite ein Elefant und unsere rationale Seite dessen Reiter. Wenn nur der Reiter vorwärts will, haben wir zwar ein Ziel, aber keine Motivation. Umgekehrt ist der Elefant ohne den Reiter zwar motiviert, aber ohne klares Ziel. Damit Veränderung gelingt, schreiben die Brüder Heath, müssten beide Seiten zusammenarbeiten - und der Handelnde muss drei Dinge tun: Dem Reiter die Richtung weisen, den Elefanten motivieren und beiden den Weg ebnen.
Drei-Punkte-Programm
Schritt 1 ist: Weisen Sie dem Reiter die Richtung! Was wie Widerstand aussieht, ist oft mangelnde Klarheit.
"Die Psychologen sagen, wir Menschen seien darauf gepolt, auf das Negative zu schauen", sagt Heath. "Dieses problemfokussierte Denken ist aber ein Garant für Stillstand. Stattdessen sollten wir unsere, wie wir es nennen, 'Sonnenflecken' finden und kopieren. Bei Problemen mit seinen Kindern zum Beispiel könnte man sich fragen: Wann war unsere letzte glückliche Begegnung und wie sah sie aus? Wer abnehmen will, kann sich daran erinnern, wie man mit 20 Kilo weniger Gewicht aussah. Ein Geschäftsmann kann seine zukünftige Firma visualisieren."
Punkt 2 des Erfolgsmusters à la Chip und Dan Heath heißt: Motivieren sie den Elefanten! Was wie Faulheit aussieht, ist oft Erschöpfung. Veränderungen scheitern nach den Erkenntnissen der Brüder oft nicht deshalb, weil wir uns zu wenig, sondern im Gegenteil: weil wir uns zu sehr anstrengen. Denn unsere Selbstkontrolle kann ermüden wie ein Muskel.
"Wir haben das alle schon mal erlebt: Nach einem anstrengenden Arbeitstag kommen wir nach Hause und schnauzen unseren Ehepartner an oder genehmigen uns ein Gläschen zu viel. Unsere Selbstkontrolle ist verbraucht. Und das ist gefährlich, wenn man etwas verändern will. Denn dafür bedarf es der Selbstkontrolle - nicht nur, um einem Keks oder einem Glas Wein zu widerstehen, sondern weil man das neue Verhalten bewusst steuern muss. Man sollte sich also nicht zu viel auf einmal vornehmen und nicht alle Gewohnheiten gleichzeitig über Bord werfen."
Forscher fanden zudem heraus: Wenn wir unsere Selbstkontrolle überstrapazieren, erlahmen mit dem mentalen Muskel auch unsere Konzentration und Kreativität sowie unsere Motivation. Bei unliebsamen Aufgaben raten die Brüder Heath daher zu einer List:
"Wir können uns den Trick einer Haushaltsexpertin abschauen. Sie nennt ihn die 5-Minuten-Zimmerrettung. Und das geht so: Stellen Sie sich eine Eieruhr auf fünf Minuten und fangen sie dann an, irgendwo in ihrer Wohnung sauber zu machen. Nach fünf Minuten dürfen sie wieder aufhören, wenn sie wollen. Was aber meistens passiert: Haben Sie einmal angefangen, fällt es einem leicht weiterzumachen. Das Muster ist hier: Wenn sie ein Veränderung fürchten, die sie aber gern in Angriff nehmen möchten, müssen sie sie schrumpfen lassen."
Punkt 3, der letzte auf dem Heath'schen Weg zur erfolgreichen Verhaltensänderung, lautet: Ebnen Sie den Weg! Was wie ein Problem aussieht, das den Menschen betrifft, ist oft ein Situationsproblem.
"Ich denke dabei an eine Managerin, die bei ihren Angestellten nicht sehr beliebt war", so Heath. "Das Problem war, wenn die Leute in ihr Büro kamen, um etwas mit ihr zu besprechen, bekam sie oft E-Mails, die sie dann nebenbei beantwortete. Eines Tages stellte sie ihre Sitzecke so um, dass sie ihren Monitor nicht mehr sehen konnte und nicht mehr abgelenkt wurde. Von da an schoss ihre Beliebtheitskurve nach oben."
Vom Problem- zum Lösungsdenken
Mit vielen Fallbeispielen und Anekdoten zeigen die Brüder Heath in ihrem Buch: Oft stellen wir uns auf dem Weg zu einer Veränderung selbst ein Bein, indem wir unsere Probleme überkomplizieren. "Switch", die Wandlung vom Problem- hin zum Lösungsdenken, bedeutet in diesem Sinne auch: sich den Weg zur Lösung zu vereinfachen.
"Amazon etwa hat mit seinem '1-Klick-Bestellsystem' das Einkaufen online kinderleicht gemacht", meint Heath. "Unsere ganze Umgebung ist so gestaltet, dass wir uns nach einem bestimmten Schema verhalten. Deswegen gibt es weiß markierte Fahrbahnen, Ampeln und Verkehrsschilder. Und am Bankomaten müssen wir unsere Karte vor dem Bargeld entnehmen, damit wir die Karte nicht stecken lassen. Genauso können wir unser Umfeld derart gestalten, dass uns Veränderungen leichter fallen. Ein Freund von uns legt immer schon am Abend seinen Trainingsanzug heraus, dann geht er in der Früh leichter joggen."
Chip und Dan Heath haben einen wissenschaftlich fundierten Ratgeber geschrieben, der logisch aufgebaut und übersichtlich gegliedert, sowie anschaulich und unterhaltsam zu lesen ist - auch wenn manche auf amerikanische Verhältnisse gemünzte Beispiele für österreichische Leser womöglich zu ausführlich sind. Ihre Botschaft kommt trotzdem an: Jede Verhaltensänderung folgt einem bestimmten Muster. Wenn wir uns daran halten, wird dieser Prozess für uns zwar nicht zu einem Kinderspiel - aber um einiges leichter. Und hat wesentlich mehr Aussicht auf Erfolg.
Service
Chip und Dan Heath, "Switch. Veränderungen wagen und dadurch gewinnen", aus dem Englischen übersetzt von Antoinette Gittinger, Scherz Verlag
Scherz Verlag - Switch