Renovierung in der Endphase

Bolschoi-Theater vor Wiedereröffnung

Sechs Jahre hat die Geschichte der Renovierung von Russlands bekanntestem Opernhaus, dem Bolschoi Theater, nun gedauert. Zuletzt hat es einer direkten Intervention von Präsident Medwedjew bedurft, um die offenbar horrenden Missstände in Management und Verwaltung abzustellen. Doch nun soll alles vergessen sein. Ende Oktober wird das Haus feierlich wiedereröffnet.

Kultur aktuell, 29.04.2011

Die Renovierung des Moskauer Bolschoi Theaters drohte zu einer unendlichen Geschichte zu werden. 2005 wurde das Gebäude als schwerer Sanierungsfall geschlossen und die Truppe übersiedelte in eine wenig attraktive und vor allem auch viel kleinere Spielstätte in unmittelbarer Nähe. Dann reihten sich Intrigen, Fehlplanungen und Unterschlagungsgerüchte aneinander, bis schließlich 2009 Präsident Medwedjew die Sache in die Hand nahm und den Schaden begrenzte, indem er Herbst 2011 als Datum der Fertigstellung bestimmte.

So wird es nun auch kommen. Allerdings: Der Lokalaugenschein stimmt derzeit noch nachdenklich. Die Bühne ist ein gähnender Schacht, im Zuschauerraum arbeiten noch die Vergolder. 3.000 Menschen sind mit Arbeiten am Gebäude beschäftigt, 1.500 in Ateliers und Werkstätten.

Weniger Sitzplätze, dafür bequemer

Das Haus wird aber nicht nur verschönt, es wird auch verschlankt: In den 1930er Jahren wurde es auch für politische Veranstaltungen genützt und im Zuschauerraum konnten bis zu 2.500 Personen Platz finden. Künftig wird es bequemer zugehen und man rechnet jetzt mit 1.700 Sitzplätzen.

"Die Restaurierung des Theaters ist zu 90 Prozent abgeschlossen" erklärt Michail Sidorow, Sprecher des Unternehmens Summa Capital, das für die Renovierungsarbeiten verantwortlich ist: "Das Bolschoi Theater wurde 115 Jahre nicht renoviert und - heute kann man es offen sagen - das Gebäude war knapp vor dem Einsturz."

Konzertsaal unter dem Vorplatz

Das Bolschoi hat eine schwierige Baugeschichte. 1856 geplant, wurde es auf einem aufgeschütteten Flussbett errichtet, zweimal brannte das Gebäude ab. Die letzte Sanierung erfolgte unter Zar Nikolaus II.; die Sowjetmacht brüstete sich zwar gerne mit den spektakulären Ballettdarbietungen, die einzigen Baumaßnahmen wurden bezeichnenderweise in den Jahren des großen Terrors, also zwischen 1936 und 1938 getätigt, diese Spuren des sogenannten Stalin-Empires werden ebenfalls erhalten, auch sie sind Zeugen der wechselhaften Geschichte des Hauses.

Umstritten ist der Bau eines Konzertsaales unter dem Vorplatz des Gebäudes. Er soll dem Theater als weiterer Spielort dienen, ebenso wie auch die Ausweichbühne in unmittelbarer Nähe des Hauptgebäudes weiterhin dem Bolschoi erhalten bleibt. "Die letzten Bauprojekte, wie etwa der Konzertsaal, wurden erst heuer entschieden", so Michail Sidorow. "Aber wir werden fertig. Der Auftrag wird erfüllt."

Das wichtigste Ballett- und Opernhaus des Landes für sechs Jahre zu schließen, zeigt, dass Kulturpolitik bei der derzeitigen Führung keine Priorität besitzt. Erst als die Fragen dringender wurden und die russische Presse die offenbar horrenden Missstände anprangerte, entschloss man sich zu handeln. Am 28. Oktober 2011 wird mit einem Festkonzert das Gebäude wiedereröffnet. Die regulären Vorstellungen beginnen im November.

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