Enttäuschung über Rechtsauslegung

Keine Pension für Holocaust-Überlebende

Israel begeht den "Yom Haschoa", den Holocaust-Gedenktag. Im jüdischen Staat leben noch etwas mehr als 200.000 Menschen, die den systematischen Judenmord in der Nazizeit überlebt haben. Die ehemaligen Österreicher unter ihnen sind jetzt enttäuscht, weil das Recht auf eine Rentenzahlung aus Österreich zu ihren Ungunsten ausgelegt wird.

Mittagsjournal, 02.05.2011

"Große Enttäuschung"

In Tel Aviv gibt es eine kleine Organisation, die sich als Vertreterin der Überlebenden aus Österreich sieht, und gerade jetzt fühlt man sich dort von der früheren Heimat ein bisschen schlecht behandelt. Leo Luster, in Wien geboren, schlägt sich mit seinen 84 Jahren mit den österreichischen Behörden herum: "Die ganzen Leute, die wirklich schon gehofft haben, mit dem letzten Zug der Holocaust-Opfer, die noch am Leben sind, dass etwas wirklich noch gutgemacht werden kann, und jetzt wurde das die große Enttäuschung für uns, dass wir das nicht bekommen haben."

In Israel verlautbart

Dabei hat die Geschichte gut begonnen. Nach langen Bemühungen hatte man eine Gesetzesänderung erreicht, die der österreichische Nationalrat vor zwei Jahren beschlossen hat. Nunmehr können auch Personen, die zwischen 1938 und 1945 geboren wurden, in Österreich Pensionszeiten nachkaufen, wenn sie von vertriebenen österreichischen Eltern abstammen und wenn sie "als Verfolgte gelebt haben", wie es im Gesetz heißt. Diese neue Möglichkeit wurde in Israel öffentlich bekannt gemacht, etwa von der österreichischen Botschaft und von der israelischen Sozialversicherung. "Und die Leute haben sich an uns gewandt, und wir haben angefangen, hier diese Anträge anzunehmen. Es war natürlich eine große, große Arbeit, das Ganze vorzubereiten, weil wir viele Dokumente vorlegen müssen, dass ein Elternteil aus Österreich gekommen ist."

PV: "Keine Verfolgung im Gesetzessinn"

Doch dann kam die kalte Dusche: Die österreichische Pensionsversicherungsanstalt lehnte bei allen Antragstellern, die im Gebiet des nunmehrigen Israel geboren sind, die Begünstigung ab. Begründung: Sie lebten "in einem Land, in dem eine Verfolgung im Sinne des Gesetzes nicht vorlag". Das heißt also: Wenn ein Kind österreichischer Flüchtlinge vor 70 Jahren etwa in Ungarn geboren wurde, dann bekommt es die Begünstigung, aber wenn es zur selben Zeit in Tel Aviv geboren wurde, dann nicht. "Die Auslegung, dass sie hier nicht verfolgt worden sind, ist meiner Ansicht nach eine falsche Auslegung. Palästina war zur damaligen Zeit ein britisches Mandat und kein freies Land. Es war eine Möglichkeit, dass man illegal oder fast legal nach Palästina einwandern konnte, und diese Möglichkeit haben viele Leute ausgenützt, um aus Österreich rauszukommen. Es wurde hier wirklich verfolgt, die Engländer haben uns kein leichtes Leben gemacht hier, und jeder, der hier eingewandert ist, wenn er erwischt worden ist, hat Schwierigkeiten gehabt.

90 Fälle

Um große Summen geht es dabei nicht. Strittig sind nur ungefähr 90 Fälle. Wenn diese Menschen die Pensionszeit nachkaufen könnten, dann stünde ihnen eine Rente von rund 250 Euro im Monat zu. Die Betroffenen verstehen nicht, wieso Österreich das Gesetz zunächst zu ihren Gunsten geändert hat, sie aber jetzt gegen eine Wand laufen lässt: "Dieses Gesetz wurde geschaffen, um wirklich ein Unrecht gutzumachen, und jetzt zum Ende ist es schlecht geworden." Inzwischen wurden die Berufungen schon in zweiter Instanz durch den Landeshauptmann abgewiesen, den alten Österreichern bleibt nur noch der kostspielige Weg zum Verwaltungsgerichtshof.

Text: Ben Segenreich

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