Zeitgenössische Kunst aus Bosnien-Herzegowina
Krieg.Kunst.Krise
Mit dem Abkommen von Dayton wurde 1995 der Krieg in Bosnien-Herzegowina beendet. Wie sich die über drei Jahre ziehenden Kriegshandlungen, die Belagerung Sarajevos und die Aufspaltung in die Föderation Bosnien-Herzegowina und Republika Srpska auf die Kunst auswirkten, veranschaulicht die Ausstellung "Krieg.Kunst.Krise" in der Galerie ArtPoint.
8. April 2017, 21:58
Zusammengestellt wurde der Querschnitt durch die Gegenwartskunst in Bosnien-Herzegowina von Elio Krivdic, der 1992 nach Innsbruck emigrierte. Auf seinen Forschungsreisen durch die zerrüttete Heimat stieß der Kurator unter anderem auf den Maler Edin Numankadic, der mit der Belagerung seines Wohnortes Sarajewo den Pinsel niederlegte. Mit der Künstlergruppe "Zeugen des Daseins" besetzte er 1992 ein zerstörtes Kino, um mittels der Kunst Antworten auf existenzielle Fragen zu suchen, die das Umfeld der Gewalt und die Isolation von der Außenwelt aufkommen ließ, erzählt Krivdic.
Kunst überwindet Nationalismus
Aus der Stadt Banja Luka, heute Regierungssitz der Teilrepublik Republika Srpska, wurden im Bosnienkrieg die meisten nichtserbischen Bewohner vertrieben. An der örtlichen Kunstakademie unterrichtet Veso Sovilj, der in der Ausstellung "Krieg Kunst Krise" mit einer Installation über Marschall Tito vertreten ist. Für Veso Sovilj ist die Kunst einer der wenigen Bereiche des öffentlichen Lebens, die den Nationalismus überwunden haben.
An der Kunstakademie in Banja Luka arbeiten und studieren Menschen aus allen Gegenden des Landes, sagt Sovilj, ob Serben oder Bosnier, ob muslimischer, serbisch-orthodoxer oder römisch-katholischer Glaubensrichtung.
Vom Soldaten zum Künstler
Einer seiner Schüler ist der 1981 geborene Künstler Mladen Miljanovic. Mittlerweile international erfolgreich, unterrichtet er in Banja Luka Medienkunst. In der Ausstellung ist die Dokumentation einer radikalen Performance von Mladen Miljanovic zu sehen, die seine persönliche Transformation vom Soldaten zum Künstler bedeutete. Neun Monate - ebenso lang wie sein Wehrdienst gedauert hatte - lebte er auf dem Gelände der ehemaligen Kaserne, in deren Räume eben erst die Kunstakademie eingezogen war.
Die Performance spielte auf die Transformation der Gesellschaft an: von der Militarisierung zu Befreiung und Aufklärung. Miljanovic verarbeitete mit der Performance auch ein Stück eigene Lebensgeschichte und die Entscheidung, eine Karriere beim Militär zugunsten der Kunst aufzugeben. Es war eine harte Konfrontation mit dem Trauma, sagt er.
Selbstauferlegte Ausgangssperre
Die selbstauferlegte Isolation dokumentierte der Künstler täglich mit einem Foto an einem anderen Ort. Das von der Militärakademie vertraute Areal und die Gebäude lernte er somit neu kennen, denn während er zuvor einer von tausend Soldaten war, war er als Kunststudent viel alleine.
Mit militärischer Disziplin hielt er sich während der neunmonatigen Extremperformance an die selbstauferlegte Ausgangssperre. Dass er diese auch nicht unterbrach, als seine Großmutter zu Grabe getragen wurde, löste bei der Familie freilich Unverständnis aus. Seinen Eltern konnte er durch die Aktion jedoch nahebringen, dass es in der Kunst um Entscheidungen gehe - egal ob sich die Idee am Ende materialisiert oder nicht.
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Galerie Artpoint - Krieg.Kunst.Krise