Richard-Tauber-Biografie von Evelyn Steinthaler

Morgen muss ich fort von hier

Richard Tauber war ein gefeierter Star mit Wohnsitz in Berlin - bis er durch das nationalsozialistische Regime zur Emigration gezwungen wurde. Tauber war der Sohn eines getauften Juden und einer katholischen Mutter. Er war katholisch getauft! Evelyn Steinthaler hat zum 120. Geburtstag des Sängers eine Richard-Tauber-Biografie verfasst.

Vertrieben aus Berlin

In einem Hotelzimmer in Mailand ereilte den Tenor Richard Tauber im März 1938 die Nachricht von der Machtübernahme der Nationalsozialisten in Österreich. Der Künstler schloss sich daraufhin drei Tage lang ein. Drei Tage lang saß er nur an seinem Klavier. Er sprach nicht. Er aß nicht und er sang nicht.

"Er war gebrochen", so Autorin Evelyn Steinthaler, "es war ein ganz starker Bruch in der Persönlichkeit, er, der immer auch nach außen sehr fröhlich und positiv war, und alles ist gut und es ist 'immer nur lächeln' - das ist auch ein Tauber-Lied - 'immer vergnügt', egal, wie es in einem immer drinnen ausschaut, man ist immer nur fröhlich."

Die Politologin und Kommunikationswissenschaftlerin Evelyn Steinthaler zeigt in ihrer Tauber-Biografie mit dem Titel "Morgen muss ich fort von hier", dass das Jahr 1938 bereits die zweite einschneidende Exil-Erfahrung für Richard Tauber bedeutete. Fünf Jahre zuvor war der Sänger aus Berlin vertrieben worden - und das obwohl - oder weil - er dort von einem Großteil des Publikums bejubelt wurde.

"Tauber (...) war der König von Berlin", so Steinthaler. "Es gab eigene Regeln. (...) Es wurde der Verkehr aufgehalten, wenn Tauber kam in seinem großen Mercedes. Er hatte die Zimmerflucht im Adlon auf Dauer gemietet. Immer wo er auftauchte, waren die Menschenmassen um ihn, (...) er hat sehr viel gemacht, er war in Werbungen präsent, er war überall."

Jetset-Flair in London

Durch die Emigration wurde dem 1891 in Linz geborenen Sänger die deutsche Sprache genommen. 1938 ging er nach England. Anders als viele Emigranten, die sich in London als Hausangestellte verdingen mussten, konnte Richard Tauber bei seinem Fach bleiben. Mehr noch, er zauberte internationales Jetset-Flair nach England. Hollywood-Stars wie Marlene Dietrich und Douglas Fairbanks jr. besuchten Richard Tauber unter großem Medienrummel in London.

"Es war so verinnerlicht, diese Inszenierung, (...) diese schweren Vorhänge und goldenen Möbeln, und mitten drunter sitzt der Tauber", sagt Steinthaler, "ohne eine herablassende Art. Er wird immer als sehr freundlich und sehr offen und zugänglich beschrieben - ja mei, ich sitze da gerade in der Luxussuite, aber ich bin der Richard, also dieses Am-Boden-bleiben gleichzeitig."

Richard Tauber war ein großzügiger Mensch. Seine hohen Gagen gab er mit beiden Händen aus, und er empfand Verantwortung den Schwächeren gegenüber. Für Benefizkonzerte zugunsten der Künstlergewerkschaft, alter Menschen und der österreichischen Winterhilfe fand Tauber immer Zeit. Auch in England sang der "König des Belcanto" für das Rote Kreuz oder für Mütterhilfswerke.

Auftritte in Covent Garden

1938 durfte der Emigrant Richard Tauber endlich auch im großen Londoner Opernhaus Covent Garden singen. Tauber reiste in die USA, er gab Konzerte im Weißen Haus und in Hollywood. Oft wird sein Ausspruch zitiert: "Ich will doch nur singen, was hat das damit zu tun, dass mein Großvater Jude war?" Seine betont unpolitische Haltung musste der Sänger angesichts der Ereignisse ablegen.

"Da hat es angefangen, nach der Vertreibung", meint Steinthaler. "Das war wirklich auch so ein Knackpunkt, wo er gemerkt hat, okay, das kann nicht spurlos an mir vorübergehen, das macht etwas mit mir, ich bin jetzt nicht, ich kann jetzt nicht nur der Sänger sein, der ich bin."

Zu Beginn des Zweiten Weltkriegs, 1939, befand sich Richard Tauber auf Tournee in Südafrika, damals eine englische Kolonie. Sein Vater war in der Schweiz im Exil. Seine Mutter war im Dezember 1938 in Salzburg gestorben. Von ihrem Tod erfuhr Richard Tauber erst im Jahr 1940. Tauber selbst gab in England viel beachtete Konzerte und war auch als Dirigent und Filmschauspieler höchst erfolgreich.

"You're My Heart's Delight"

Radiosendungen mit Richard Tauber wurden in der "Radio-Times", der Hörerzeitschrift der BBC, besonders hervorgehoben und unter den Hörern wurden Umfragen zu den Tauber-Sendungen gemacht. Den "Tauber-hours" wurde die größtmögliche Aufmerksamkeit vonseiten des britischen Nationalsenders zuteil. 1940 wurde Richard Tauber britischer Staatsbürger.

Seinem Erfolgsgeheimnis blieb er auch in der Emigration treu - Richard Tauber tat immer genau das, was er tun wollte, und das war singen und das Publikum unterhalten, betont seine Biografin Evelyn Steinthaler. Ihr Favorit unter den Tauber-Liedern ist "Dein ist mein ganzes Herz": "Aber wenn er es auf Englisch singt - You're My Heart's Delight -, da hat er noch einmal mehr Schmelz drinnen. (...) Er singt es mit jeder Faser seines Körpers. Man spürt, dass er das jetzt ist. Er ist das Lied."

Taubers Hit "Dein ist mein ganzes Herz" kommentierte Karl Kraus mit der Prophezeiung: "Da muss Europa in Fransen gehen vor Begeisterung." - Und so war es auch.

Karriere als Spiegel der Zeit

Die Biografin Evelyn Steinthaler zeichnet die schillernde Persönlichkeit Richard Tauber vor dem Hintergrund von Kultur und Politik und leuchtet sie von allen Richtungen aus. Die Karriere als Spiegel der Zeit - ein Künstlerleben als historisch bedingtes Zerrbild. Was bleibt, sind die Tauber-Lieder und der sinnliche Schmelz, mit dem der Belcanto-Barde bis heute fasziniert.

Das Buch erzählt österreichische Geschichte in Operetten-Seligkeit, doch gänzlich ohne Pathos. Evelyn Steinthaler schreibt packend und pointiert und mit großem Einfühlungsvermögen für den Menschen und Künstler Richard Tauber.

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Evelyn Steinthaler, "Morgen muss ich fort von hier. Richard Tauber: Die Emigration eines Weltstars", Milena Verlag

Milena Verlag - Morgen muss ich fort von hier

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