Dänemark und Italien geben Tempo vor

Schengen-Regeln: EU unter Zugzwang

Die EU-Innenminister beraten in Brüssel über eine Änderung der Schengen-Regeln sowie eine neue EU-Flüchtlingspolitik. Thema sind vor allem Überlegungen, zeitweilige Grenzkontrollen innerhalb des Schengenraums zu erleichtern, etwa bei einem plötzlichen Flüchtlingsansturm wie in Italien oder wenn ein Land die EU-Außengrenze nicht kontrollieren kann.

Mittagsjournal, 12.05.2011

Dänemark versucht abzuschwächen

Der dänische Integrationsminister Sören Pind hat vor Beginn eines Sondertreffens der EU-Innenminister in Brüssel betont, die von seiner Regierung beschlossenen Maßnahmen würden nur Zollkontrollen, nicht aber Personen- oder Passkontrollen betreffen und stünden dem Schengen-Abkommen nicht entgegen. Man wolle nur die Zollkontrollen verstärken, so Pind. "Das kam so rüber, als wollten wir Pass- und Personenkontrollen einführen, das ist aber nicht der Fall." Der deutsche Innenminister Hans-Peter Friedrich erklärt, Ziel einer Reform des Schengen-Systems könne nur eine Stärkung, nicht eine Schwächung des Abkommens sein.

Kein Verstoß gegen Schengen-Abkommen

Pind sagte, derartige Zollkontrollen würden auch schon andere Länder im Schengen-Raum durchführen. Es sei für die dänische Regierung sehr wichtig, dass diese Entscheidung in Übereinstimmung mit dem Schengen-Abkommen stehe: "Ich denke, dass es - bei genauerer Betrachtung - viel Aufregung um nichts gegeben habe."

"Wir wollen nicht die Grenzen wieder einführen", betonte Pind. Eine strenge Grenzkontrolle sei auch kein Verstoß gegen das Schengen-Abkommen. Pind begründete die Maßnahme mit "einer Menge Probleme" betreffend grenzüberschreitender Kriminalität. "Wir glauben, dass wir durch Einführung strengerer Zollkontrollen einige dieser Probleme lösen können."

Deutschland noch vorsichtig

Der deutsche Innenminister Friedrich äußerte sich zur Entscheidung Dänemarks zurückhaltend: Er habe bis jetzt keine offiziellen Informationen von Dänemark erhalten, daher wolle er die Gespräche abwarten.

Das Schengen Abkommen sehe "ausdrücklich zeitlich befristete Kontrollen vor", bei Gefährdung der Sicherheit, so Friedrich. "Was das genau ist, das hat jedes Land bisher flexibel, auch sehr verantwortungsbewusst festgelegt", sagte er in Hinblick auf anlassbezogene befristete Kontrollen, etwa um Hooligans die Einreise zu verwehren. "Bisher gab es nirgends einen Anhaltspunkt, dass da exzessiv damit umgegangen wird."

Reisefreiheit erhalten

Jetzt müsse man einmal schauen, ob es notwendig sein wird, Ausnahmen zu definieren. "Jedenfalls ist das Ziel immer eine Stärkung des Schengen-Abkommens und nicht eine Schwächung", betonte Friedrich. Es gehe auf jeden Fall darum, "entschlossen dafür zu sorgen, dass die große Errungenschaft der Reisefreiheit in Europa erhalten bleibt." Er verwies auch darauf, dass es bereits jetzt schon die Möglichkeit gibt, bei Ausnahmesituationen temporäre Grenzkontrollen wieder einzuführen. "Da ist jedes Land einigermaßen frei in seinen Entscheidungen." Jetzt sehe es aus, "als ob wir diese Ausnahmevorschrift einfach ein wenig konkreter fassen müssen".

Es gehe darum, dass man die Reisefreiheit erhalte, sagte Friedrich. "Das können wir nur dadurch, dass unsere Bürger auch wissen, dass auch im Zweifel, in schwierigen Situationen, die Sicherheit gewährleistet ist." Und das sei eigentlich die Botschaft: "Dass wir diese Ausnahmevorschrift restriktiv, aber funktionsfähig, erhalten." Die Entscheidung müsse jedenfalls bei den Regierungen der Mitgliedsländer liegen: "Die Regierungen sind natürlich verantwortlich für die Sicherheit in ihren Ländern, diese Verantwortung kann ihnen keiner abnehmen." (Text: APA, Red)