Wie das Meer auf unseren Teller kommt

Vier Fische

Ein Buch über Fische und Fischerei schreibt sich nicht vom Lehnstuhl aus. Das war dem Journalisten Paul Greenberg durchaus recht. Die Orte, wo es die besten Fische gibt, seien meist ganz besonders schön, erklärt der Autor. Und zum Glück habe er bei seinen Recherchen viele davon gesehen.

"Ich reiste vom Nord- bis zum Südpol", so Paul Greenberg. "Auf den Falkland Inseln passierte mir ein glücklicher Zufall: Man machte gerade Piratenfischern, die im südlichen Ozean chilenische Seebrassen gefischt hatten, den Prozess. Ihr Schiff gehörte einer Firma, die wiederum einem anderen Unternehmen gehörte. Es war eine verschachtelte Angelegenheit. Der Prozess wurde schließlich eingestellt. Die Behörden haben das Boot in die Luft gesprengt und versenkt."

Magische Zahl 4

Paul Greenberg besuchte außerdem Alaska, wo er im Yukon mit lokalen Fischern aufs Meer fuhr. Auf den britischen Shetland-Inseln hat er die Kabeljauzucht und auf der sonnigen griechischen Insel Kefalonia die Wolfsbarschzucht studiert.

Barsch und Kabeljau sind zwei der vier Fische, denen der Autor jeweils ein ausführliches Kapitel widmet. Lachs und Blauflossenthun komplettieren das Fischquartett. Paul Greenberg erläutert, warum er sich auf vier und nicht auf fünf oder elf Fische konzentriert hat:

"Der Zahl 4 scheint in Bezug darauf, was Menschen domestizieren, etwas Magisches anzuhaften. Vor 10.000 Jahren begannen wir, Nutztiere zu halten. Wir haben viele verschiedene Säugetierarten verzehrt - egal ob Ratte oder Schwein, Hauptsache, es war Fleisch dran. Doch vor rund 2.000 Jahren hielten wir eigentlich nur noch vier Tiere: Rinder, Schweine, Ziegen und Schafe. Natürlich findet man gelegentlich auch etwas Exotischeres. Doch uns war wichtig, dass Domestizierung unkompliziert ist."

Wildnis contra Aquakultur

Außer der Magie der Zahl 4 lieferte ein Bericht der FAO, der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der UNO, einen wesentlichen Anstoß für das Buch. Die FAO prophezeite, dass in zehn Jahren Menschen erstmals mehr Zucht- als Wildfische verzehren werden. Grund genug also für Paul Greenberg, um sich über den Stand der vier Fische in der Wildnis, sowie über das Neueste auf dem Sektor der Aquakultur schlau zu machen. Der Autor beschreibt, nach welchen Kriterien er gerade diese vier Fische – Kabeljau, Blauflossenthun, Barsch und Lachs – ausgewählt hat:

"Es gibt Archetypen von Fleisch, die der Durchschnittskonsument auf der Speisekarte oder im Supermarkt sehen will: Er will etwas, das rosa und saftig ausschaut, wie der Lachs. Diesen kann man backen oder räuchern. Dann möchte er etwas Weißes, Mageres, das man knusprig braten und in einem Sandwich essen kann. Das wäre der Kabeljau. Leute, die in Griechenland Urlaub machen, erinnern sich gerne daran, Fisch im Ganzen gegessen zu haben. Das ist üblicherweise der europäische Barsch. Und dann gibt es schließlich noch das tiefrote, feste Fleisch, das sich zum Grillen oder als Sushi eignet, und das ist der Thunfisch."

Fokus auf positive Entwicklungen

"Vier Fische" unterscheidet sich von anderen Büchern über Flüsse, Seen und Ozeane. Es ist im Ton optimistischer und hoffnungsfroher. Andere Autoren prophezeien, dass man angesichts der rücksichtlosen Überfischung des Meeres bald nur noch Quallensandwiches essen werde. Paul Greenberg konzentriert sich auf die positiven Entwicklungen.

"Ich schaue jetzt gerade auf den East River in New York und dabei fällt mir ein: In meiner Kindheit war einer meiner Lieblingsfische, der amerikanische Flussbarsch, fast am Aussterben", erzählt der Autor. "In den USA existierten davon nur noch acht bis neun Tonnen. Doch dank der Bemühungen von Sportfischern und Artenschützern haben sich die Bestände erholt. Die Flussbarsch-Population ist mit insgesamt 50 Millionen Tonnen nun stabil. Das beweist: Wenn man den Willen dazu hat, kann man eine Art zurückbringen. Wenn jemand pessimistisch ist und die Zukunft ganz schwarz sieht, wird er nicht aktiv werden, doch selbst ein bisschen Hoffnung kann genug Anreiz bieten, um etwas zu verändern."

Fangverbote retten Bestände

Tatsächlich gab es in den letzten Jahren vereinzelt gute Nachrichten: Große Fischereinationen wie etwa Neuseeland beschlossen, das sogenannte Trawling – also das Fischen mit Grundschleppnetzen – im Südpazifik einzustellen. In den 1990er Jahren kollabierten die Kabeljau-Bestände in den nordamerikanischen Gewässern. Die USA und Kanada verhängten daraufhin ein Fischereiverbot. Seither haben sich die Bestände der Dorschfische zumindest teilweise erholt.

Des Rätsels Lösung, wie man den steigenden Appetit der Menschen auf Fische stillen kann – ohne die Seen und Ozeane leerzufischen -, liegt in der Aquakultur. Doch diese hat zumindest bei einigen Arten, wie etwa dem Lachs, einen schlechten Ruf.

"Ich bin weder ganz dafür noch ganz dagegen", meint Greenberg. "Die ersten Farmen waren anfangs nicht sehr effizient. Man braucht drei Kilogramm Wildfische zur Produktion von einem halben Kilo Lachsfleisch. Durch selektive Zucht, wie man es bei Schweinen und Kühen seit Generationen macht, hat man eine bessere Effizienz erreicht. Nun braucht man für ein Kilo Lachsfleisch nur eineinhalb Kilo Wildfische. Doch bei den Farmen gibt es noch ein anderes Problem: Sie befinden sich im Ozean. Dadurch können Krankheitserreger wie etwa die gefährlichen Seeläuse ins Meer entweichen und andere Fische anstecken."

Eine weitere Befürchtung ist: Wenn Zuchtlachse entkommen, vermischen sie sich unerwünschterweise mit der wilden Population. Paul Greenberg meint daher, Lachszuchten sollten nur dort eingerichtet werden, wo es keine Wildbestände gibt. Also lieber in Chile als in Kanada oder Norwegen.

Ozean ist Wildnis

Doch nicht jeden Fisch könne man züchten, erklärt Paul Greenberg. Dazu zählt einer der majestätischsten der Meeresfische, der Blauflossenthun. Er wiegt ausgewachsen mehr als 600 Kilogramm und kann fünf Meter lang werden. Eine Zucht rechnet sich nicht. Für den Autor ist der Fisch eines der letzten Symbole dafür, dass die Ozeane Wildnis und nicht nur ein Reservoir für den menschlichen Speisezettel darstellen:

"Die Bestände des Blauflossenthunfisches sind in Europa zwischen 70 und 80 Prozent zurückgegangen. In den USA beträgt der Rückgang jedoch 90 Prozent. Nur die Superreichen können sich leisten, diesen Fisch zu essen. Der Blauflossenthun ist also kein globaler Wirtschaftsfaktor mehr. Er ist ein wunderbarer Fisch: Er schwimmt mit einem Tempo von bis zu 60 Stundenkilometern und ist Warmblütler. Wer je einen lebenden Blauflossenthun gesehen hat, wird das Farbenspiel auf der Haut dieses großartigen Tieres nie vergessen. Es ist fantastisch. Wir können durchaus frische Meeresfische essen, doch etwas, das ein Symbol für die Wildnis der Ozeane darstellt, sollten wir in Ruhe lassen."

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Paul Greenberg, "Vier Fische. Wie das Meer auf unseren Teller kommt", aus dem Amerikanischen übersetzt von Anne Uhlmann, Berlin Verlag

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