Polens Präsident im Interview

Für ein solidarisches und vernünftiges Europa

Polen, das derzeit den EU-Vorsitz führt, mahnt von den europäischen Partnern in der derzeitigen Eurokrise vor allem Zusammenhalt ein. Mehr Europa, mehr europäische Integration seien jetzt mehr von Nöten denn je, sagt der Polnische Präsident Bronislaw Komorowski im Ö1 Exklusivinterview.

Morgenjournal, 14.7.2011

Europas Wirtschaften koordinieren

Wir wünschen uns ein solidarisches Europa, in Sachen Wirtschaft aber auch ein vernünftiges Europa, sagt Polens Präsident Bronislaw Komorowski. Wie tief nun die Krise ist, in der die Euroländer derzeit stecken, das hänge davon ab, welche Schlussfolgerungen daraus gezogen würden. "Es wäre positiv, wenn wir die Krise zum Anlass nehmen, die europäische Zusammenarbeit zu vertiefen und unsere Wirtschaften noch besser zu koordinieren", so Komorowski, "Krisen wie diese zwingen uns geradezu, Reformen einzuleiten und zu modernisieren."

Es mag zwar wie ein Gemeinplatz klingen, aber aus Krisen könne man lernen, sagt Bronislaw Komorowski. Das haben die baltischen Staaten bewiesen, allen voran Estland und Lettland, die mit äußerst schmerzhaften Sparmaßnahmen ihre schwere Wirtschaftskrise überwunden haben.

Polen will Euro retten

Jedes Land müsse zunächst von sich aus etwas tun, so der polnische Präsident: "Das ganze Programm: Einsparungen, Ausgabenkürzungen, Umgestaltung des Steuersystems. Eine Rettung allein von außen kann es nicht geben". Aber natürlich sollten die EU und der Internationale Währungsfond wie im Falle Griechenland mit Darlehen und Bürgschaften mithelfen.

Solidarität sei da sicherlich ein zentraler Punkt, betont der Präsident. Polen wird sich daher auch mit 250 Millionen Euro finanziell an dem Hilfspaket für Griechenland beteiligen, auch wenn es selbst kein Mitglied der Eurozone ist.

Wirtschaftliche Stabilität liege im eigenen Interesse Polens: "Wir hegen trotz der jetzigen Eurokrise weiterhin den Wunsch, irgendwann auch den Euro zu übernehmen. Es liegt uns daher viel daran, dass die Eurozone rasch wieder ihre Attraktivität zurückgewinnt. Wir wünschen uns eine starke Währungsunion."

Flucht nach vorne

Auf die Frage, ob er nicht fürchte, dass die Griechenlandkrise und der Vertrauensverlust in den Euro auch zu einem Vertrauensverlust in die Europäische Union, in die Europäische Idee führen könnte, räumte Komorowski ein, es könne natürlich in einzelnen Staaten solche Tendenzen geben, ein Zurück zu den Nationalstaaten. Doch er empfiehlt hier lieber eine Flucht nach vorne: "Wir sollten mutiger die europäische Integration vorantreiben und vertiefen. Es gibt dazu auch wirklich keine reale Alternative."

Schuldenbremse in Verfassung

Es sei nun wichtig, dass innerhalb der Eurozone und innerhalb der Europäischen Union Maßnahmen ergriffen werden, um ähnlichen Krisen für die Zukunft vorzubeugen. Etwas Ähnliches wie eine institutionalisierte Schuldenbremse, meint der polnische Präsident. Polen selbst habe seit 1997 eine solche Schuldenbremse in seiner Verfassung verankert.

Ob solche Maßnahmen möglicherweise zu spät kommen, angesichts der Gefahr, dass nun auch neben Italien wirtschaftlich in die Bredouille geraten könnte? Bronislaw Komorowski glaubt das nicht. Es gebe Signale aus Italien, die durchaus optimistisch stimmen, meint er: "In Italien dürfte man verstanden haben, dass nun rasch Sparpakete beschlossen werden müssen. Wichtig ist, dass dies rasch geht. Je schneller Italien dabei seine Entscheidungen trifft, desto rascher kann einer weiteren Krise vorgebeugt werden."

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