Von Ballerinas bis Goldbarren

Zeitgeist aus dem Automaten

Sonnenbrillen, Schwangerschaftstests, Schläuche für Fahrräder: Es gibt kaum etwas, das sich nicht über einen Automaten an den Kunden bringen lässt. Der Selbstbedienungsautomat erlebt derzeit eine regelrechte Renaissance.

Brummelnde Lautsprecherdurchsagen. Sprachfetzen eilender Passanten. Immer wieder das Klicken und Summen technischer Gerätschaften. Hier die Maschine, da der Mensch - Technik und Emotion. Dazwischen: der Automat.

"Pflaster, Desinfektion, Taschentuch, Kondome, Mundspray, Alkohol-Abbautabletten sogar", wundert sich der 17-jährige Lukas mit ein wenig Ekel im Gesichtsausdruck über die Drogerie-Artikel aus dem Med-o-mat, einem 24-Stunden-Erste-Hilfe-Automaten im Zwischengeschoß am Münchner Hauptbahnhof.

Kunst und Unikate

Am Haupteingang rechts unter der Rolltreppe blinkt ein anthrazitfarbener Kasten mit rot-gelb-blauen LED-Leuchten - der Unikat-Automat. "Die Künstler oder Designer müssen uns nur die Produkte zuschicken und wir machen dann den Rest: professionelle Fotos, wir machen die Verpackung, verpacken die und stellen sie dann auf der Website vor. Und die kommen dann in den Automaten", erklärt Lisa Jablonski, 23, fünftes Semester Kommunikationsdesign an der Fachhochschule München.

Mit drei ihrer Kommilitoninnen hat sie im Herbst 2010 die Idee "Kunst aus dem Automaten" verwirklicht. Mit Erfolg. Immer wieder bleiben mit Taschen und Koffern bepackte Reisende mit staunenden Augen vor dem großen Sichtfenster stehen: Miniatur Öl-auf-Leinwand, Siebdruck-T-Shirts und handgemachten Keramik-Schmuck ziehen sie aus dem Automaten. Das Glücksgefühl auf Knopfdruck.

Und so funktioniert's: "Nehmen wir ein Bild von Monika Lieke 'Öl auf Leinwand', Nummer 15, für 15 Euro. Wir tippen die 15 ein. Bestätigen. Und dann steckt man einfach das Geld rein. So. Und jetzt geht es los: Der Lift fährt hoch. So, jetzt kommt das Produkt raus, fällt in den Lift, der Lift fährt wieder runter. Ganz einfach haben wir es in der Hand. Und bekommen unser Rückgeld. Und das ist jetzt eben handgemacht, signiert und ein Unikat", so Lisa Jablonski.

Gegen schmerzende Füße

Ein Verkaufsautomat für die Ware Kunst im weitesten Sinne: Das ist neu. Die ersten Selbstbedienungsautomaten gab es schon vor 150 Jahren. Klick, Klick, Klack. Mechanisch. Ohne Strom betrieben. Bestückt mit Postkarten, Büchern und Schokolade. Und natürlich: der Kaugummiautomat. Heute rostet er noch vereinzelt an Häuserfassaden vor sich hin.

Isabella Fendt, 22, studiert im dritten Semester Medienmanagement an der Ludwig-Maximilian-Universität. Samstagabend trifft man sie im Club mit dezentem Make-Up, klimpernden Armreifen und Stilettos.

"Jedes Mädchen, das hohe Schuhe trägt, kennt das Gefühl, wie es ist, wenn man auf seinen Füßen einfach nicht mehr laufen kann", meint sie. "Man muss die Schuhe ausziehen oder man sitzt den ganzen Abend nur noch rum."

Gegen malträtierte Füße, für ein schmerzfreies Weitertanzen: Bequeme Ballerinas sind nicht nur modebewusst, sondern entspannen ungemein. Wer schön sein will, muss leiden. Von wegen. Seit September 2010 gibt es die Ballerinas-to-go-Automaten von Isabella Fendt in verschiedenen Münchner Clubs: Umfunktionierte Zigarettenautomaten, bestückt mit faltbaren Ballettschläppchen in Schwarz, Violett, Gold oder Silber.

"Dann ist da noch sogar ein Tütchen dabei. Wenn Du irgendwie doch noch bleiben möchtest, kannst du deine High-Heels an der Garderobe abgeben", sagt Isabella Fendt.

Gold to go

Die High-End-Variante der neuen Automaten-Kultur: Gold-to-go. 60 Automaten mit Goldstücken von 1 bis zu 250 Gramm hat die Betreibergesellschaft Ex Orient Lux bis Ende 2010 weltweit aufstellen lassen. Acht davon stehen bisher in deutschen Großstädten. Auch in München. Der Goldautomat: ein imposanter, gepanzerter Kasten, verziert mit Blattgold.

Für Thomas Geissler von Gold to go sind Automaten die attraktiven und preiswerten Verkäufer mit Zukunft: "Der Kunde fühlt sich sehr, sehr gut behandelt durch den Automaten. Es gibt kein Gegenüber, das unfreundlich ist, das einen warten lässt. Der Automat macht genau das, was der Kunde will. Und das sehr schnell."

Schnell, anonym und zuverlässig - Sinnbilder der urbanen Geschäftskultur. Automaten sind stumme, kosteneffiziente und unerschöpfliche Verkäufer. Sie mögen dabei manchmal ein wenig steril und gespenstisch wirken, doch im richtigen Moment sind sie aufgeladen mit Dingen voller Emotionen: Kunst, Schuhe, Gold.

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