Ö1 Konzert: Mercedes Peón

Mercedes Peón führte die galicische Musik ins neue Jahrtausend. Mit ihrer aktuellen CD "SÓS" war sie Anfang des Jahres zwei Monate lang die Nummer Eins der World Music Charts Europe. Im RadioKulturhaus gab sie ihr Wien-Debüt.

Verwurzelt in der regionalen Musik zu sein und mit avantgardistischem Anspruch zu komponieren ist kein Widerspruch für Mercedes Peón. Die charismatische Galicierin aus La Coruña verbindet kühn und schlüssig musikethnologisch erforschtes Material mit modernster elektronischer Musik. Weil sie die Lieder und Klänge der Galegos intellektuell und emotional durchdringt, ist sie imstande sie weiterzuentwickeln und erschafft damit weit mehr als bloß "World Music".

Mercedes Peón wird 1967 geboren und interessiert sich seit ihrem 13. Lebensjahr für die galicische Volksmusik. Diese wurde - wie alle regionalen Sprachen und Kulturen Spaniens - jahrzehntelang von der zentralistisch ausgerichteten Franco-Diktatur unterdrückt. Mit 17 realisiert Peón, dass die mündliche Überlieferung zum Stillstand gekommen ist, und beschließt dem Verschwinden dieser Kultur entgegenzuwirken.

Peón fährt mit öffentlichen Autobussen durch die entlegensten Gebiete der nordwestlichen spanischen Provinz und beginnt die reiche Liedkunst ihrer Heimat schriftlich und auf Tonbändern zu sammeln. Heute verfügt sie über ein Tonarchiv, das auf über 2.000 Stunden die Traditionen Galiciens dokumentiert. Nach und nach veröffentlicht sie Teile dieser Aufnahmen auf ihrem eigenen Label Trompo. Dieses Archiv bildet die Basis für Peóns Arbeit als Musikethnologin und als Künstlerin.

Die Musikethnologin Peón hält Vorträge in der ganzen Welt, organisiert Festivals - u.a. "Galicia Terra Única" - und stellt frühe galicische Musik in einer lokalen Fernsehshow vor. Die Künstlerin Peón beginnt autodidaktisch.

"Zuerst lernte ich bei meinen Großeltern das traditionelle Leben meiner Heimatstadt kennen. Dann hatte ich das Glück mit 13 Jahren beim Campen vier Frauen etwas singen und spielen zu hören, das ich später als "Riveiranas" erkennen sollte, die älteste musikalische Ausdrucksform Galiciens. Das beeindruckte mich derart, dass ich beschloss, mein Leben dem Erlernen dieser musikalischen Codes zu widmen, um auch so musizieren zu können, so archaisch, frei und instinktiv."

Die Gaita, den galicischen Dudelsack, entdeckt Mercedes Peón erst im Alter von 19 Jahren für sich. Als sie einen alten Mann hört, der auf einer Gaita aus dem 18. Jahrhundert spielt, die über fünf Generationen erhalten worden ist, packt sie die Faszination für dieses Instrument, auf dem sie heute eine Meisterin ist. Außerdem avanciert sie zu einer ausgezeichneten Sängerin in der Pandeiretera-Tradition, dem Gesang zum Tambourin.

Jahrelang wirkt Mercedes Peón gleichzeitig in verschiedensten Formationen mit, steht auf der Bühne mit dem Dudelsackspieler Carlos Nuñez und der Folkgruppe Matto Congrio. Nachdem Mercedes Peón 15 Jahre in die Tiefen der galicischen Traditionen eingedrungen ist, veröffentlicht sie 2000 das Album "Isué". Der Ton ihres Debüt-Albums ist energetisch und kraftvoll und macht ihren Namen rasch zu einer Marke. Peón singt auf eine Weise zu Gaita und Perkussion, wie man es noch nicht gehört hat, und schafft in ihrer Musik auch Raum für Gitarren und elektronische Sounds. Auf ihren Alben "Ajrú" (2004) und "Sihá" (2007) schmelzt sie galicische Tradition, elektronische Musik und Rock zu einem völlig neuen Sound ein.

"SÓS " - benannt einerseits nach dem Wort "Hilfe" im vor allem auf See benutzten Morse-Alphabet, andererseits nach dem galicischen Wort für "allein" - heißt Peóns viertes und bislang persönlichstes Album, mit dem sie als Komponistin, Produzentin und Sängerin die Grenzen der "World Music" endgültig überschreitet.

Mit "SÓS " tritt sie erstmals nicht als Frontfrau einer Band, sondern solo auf die Bühne. Kahlköpfig, schmal, auf konzentrierte Art exaltiert, lässt sie ihre wuchtige, raue Stimme erklingen, greift mal zur Gaita, mal zum Tambourin, spielt Schlagzeug. Mit den Sticks bedient sie auch die Laptops, setzt die Loops in Gang. Die Musik ist teils traditionell galicisch, teils elektronisch - mit dezent eingeworfenen Anleihen aus Rock, Reggae, Folk und Jazz.

Peón schichtet aufgenommene Samples und Live-Elemente zu einer dichten Sound-Textur. Chorisch übereinander gelagerte Gesangsriffs erklingen über einem Netz von Perkussions- und Gitarrenrhythmen, schaukelnde Klarinetten-Töne sind zu hören und weiche Gong-Loops - und über allem eine Stimme, die aus einer anderen Zeit zu kommen scheint.

Text: Gudrun Hamböck

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Eine Veranstaltung in Kooperation mit "Die Presse" und der Initiative femous.

Service

Ö1 Konzert: Mercedes Peón
Freitag, 23. September 2011
19:30 Uhr
Großer Sendesaal

Mercedes Peón

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