Ilija Trojanow über den Klimawandel

EisTau

"EisTau" heißt der neue Roman von Ilija Trojanow, ein Buch über die Gletscherschmelze und den Klimawandel, der mit einer Startauflage von 100.000 Exemplaren in den Buchhandel kommt. Für dieses Buch hat er sich gleich zwei Mal in die Antarktis aufgemacht.

Mit seinem gefeierten Roman "Der Weltensammler" ist Ilija Trojanow vor fünf Jahren schlagartig berühmt geworden, über 450.000 Mal wurde sein Buch über den britischen Offizier und Weltreisenden Richard Francis Burton verkauft. Der Weltreisende Ilija Trojanow ist in Kenia aufgewachsen, er hat in Indien gelebt und in Südafrika, und vor einigen Jahren hat er sich in Wien niedergelassen.

"Asien drohen wegen Klimawandels enorme Flüchtlingswellen." - "Durch Erderwärmung werden schon 2020 Getreide und Reis knapp." - "Klimawandel verschärft die Gefahren von Naturkatastrophen." - "Schmelzendes Polareis gefährdet Eisbärenbabys." Das sind nur ein paar Agentur-Schlagzeilen aus den vergangenen Wochen. Ilija Trojanow hat den Klimawandel jetzt zum Thema eines Romans gemacht.

Eine "Liebesgeschichte"

"Ich glaube, es ist vor allem eine Liebesgeschichte", sagt Trojanow. "Es ist allerdings nicht eine Liebesgeschichte zwischen zwei Menschen, sondern zwischen einem Menschen und einem Gletscher."

Der Mensch, das ist der Glaziologe Zeno, traumatisch erlebt er das Schmelzen "seines" Alpengletschers als persönliche Katastrophe und er macht sich auf in das sogenannte Ewige Eis der Antarktis. Als Vortragender und Expeditionsleiter heuert er auf einem Kreuzfahrtschiff an, verzweifelt am Zustand der Erde und der Ignoranz ihrer Bewohner.

Faszinierendes Eis

Eindringlich und poetisch schreibt Ilija Trojanow über die Schönheit der Antarktis, über eine überwältigende Landschaft und die Faszination des Eises, und er schreibt über die Gefahr der großen Schmelze und die Hilflosigkeit des Einzelnen, die schließlich in Zivilisationsskepsis mündet.

"Die Aufklärung ist inzwischen reduziert auf den Prozess der Analyse", meint Trojanow. "Das heißt: Wir sammeln Wissen, wir können dieses Wissen halbwegs vernünftig rational interpretieren, aber die Aufklärung ist nicht im Bereich des Handelns. Unsere Gesellschaft, unsere Wirtschaft handelt völlig irrational, denn der Kapitalismus ist ja in Zeiten ökologischer Zerstörung ein völlig irrationles System."

Umdenken erforderlich

Dass es so etwas wie globale Erwärmung gibt, sagt Ilija Trojanow, das sei ihm schon bewusst geworden, lang bevor das Thema in die Schlagzeilen gekommen ist - und zwar in Kenia, wo er aufgewachsen ist:

"Es war auch damals schon Dürre und ich habe zum ersten Mal in meinem Leben, als Jugendlicher, davon sehr bewegt und berührt Menschen gesehen, die kurz vor dem Verdursten und Verhungern waren. Das war für mich so eine Initialzündung, weil ich einerseits meine geradezu perverse Privilegiertheit intensiv gespürt habe, andererseits aber auch die punktuelle Hilflosigkeit."

"Kann die Literatur mehr tun, als einen Einzelnen zu beschreiben, der sich wehrt?", fragt Ilija Trojanow und weiter: "Fukushima hat dazu geführt, dass es ein Umdenken gibt bei Atomkraft. Muss es ähnliche Katastrophen geben, damit es in anderen Bereichen ein Umdenken gibt? Ich glaube, diese Frage, wie schlimm müssen die Katastrophen werden, bevor wir beginnen, wirklich adäquate und kompetente Schlüsse daraus zu ziehen und unsere Gesellschaft, unsere Wirtschaft umzustrukturieren - das ist, glaube ich, die große Frage der nächsten zehn Jahre."

Textfassung: Ruth Halle

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Ilija Trojanow, "Eistau", Hanser-Verlag

Hanser - Ilija Trojanow