"'Ndrangheta liebt Österreich"

Mafia-Buch: Waffendrehscheibe Wien

Die Mafia, besonders die kalabresische ´Ndrangheta, hat sich wie ein Krake in Italien und Europa breit gemacht. Sie macht pro Jahr mehr als 60 Milliarden Euro Gewinn und ist auch in Österreich aktiv. So sei Wien neben der Geldwäsche ein Knotenpunkt für den Waffenhandel, schreibt der italienische Buchautor Gianluigi Nuzzi in seinem neuen Buch "Metastasen".

Morgenjournal, 30.08.2011

Kronzeuge plaudert

Auch im Jahr 2011 ist das, was Gianluigi Nuzzi macht, lebensgefährlich. Denn ein Buch über die Mafia zu schreiben, ist das eine, darin aber einen Abtrünnigen zu Wort kommen zu lassen, der Kronzeuge war und mehr als hundert seiner Ex-Kollegen hinter Gitter gebracht hat, das kann ungemütlich werden. Denn im Buch "Metastasen" wird detailgetreu unter der Nennung zahlreicher Namen geschildert, wie das Innenleben der ´Ndrangheta funktioniert.

Einkauf in legale Wirtschaft

Ein Menschenleben zählt nichts, auch nicht in den eigenen Reihen. Wer einen Fehler macht, ist so gut wie tot. Denn es geht um aberwitzig viel Geld, so Nuzzi: "Man kann sagen, dass die 'Ndrangheta 60 bis 70 Milliarden Euro pro Jahr Umsatz macht. Steuerfrei. Wir sprechen von einer Art Verbrecher-Holding, die sich mit diesem Geld leicht in die legale Wirtschaft einkaufen kann."

Waffen-Drehscheibe Wien

Aber damit dieses Geld in die legale Wirtschaft eingeschleust werden kann muss es gewaschen werden. Und da kommt Österreich ins Spiel. Laut Nuzzi ist Österreich bei der Mafia noch beliebter als die Schweiz – denn das Bankgeheimnis sei noch ausgeprägter. Und aus einem weiteren Grund würde die Mafia laut Nuzzi Österreich schätzen: Hier könne man wunderbar Waffen besorgen. Der nahe Balkan mache es möglich – und die "Tscheschenien Connection", so Nuzzi: "Ehemalige Mafiosi haben ausgesagt, dass Wien der ´Ndrangheta als Knotenpunkt für den Waffenkauf dient. Und die ´Ndrangheta hat ein sehr, sehr großes Waffenarsenal. Da werden sogar Boden-Luft-Raketen gehandelt."

"Alle sind korrupt"

Doch auch Deutschland, oder Holland seien von der Mafia unterwandert. Im Ausland würde man aber versuchen den Ball flach zu halten und übermäßige Gewalt vermeiden. Anders die Situation in Italien. Wenn man dem Buch Glauben schenkt, dann versinkt Italien geradezu in Korruption. Nichts was man nicht kaufen könnte: Abgeordnetenmandate, Posten aller Art – und Informationen über jeden, den man erpressen will, sagt Giuseppe di Bella, ehemaliger Mafiosi und jetzt Kronzeuge in unzähligen Prozessen: "Als ich in der Organisation war, waren alle korrupt. Die Polizei, die Krankenhäuser. Alle - alle waren sie korrupt. Auch die Gerichte. Heute ist alles mehr verdeckt. Heute sind sie es die Rechtsanwälte und Geschäftsleute."

"Süditalien mit Afghanistan vergleichbar"

Kein öffentlicher Bauauftrag ohne illegale Geldflüsse. Lukrative Immobilien werden durch rohe Gewalt abgepresst – und der Süden Italiens sei mit Somalia oder Afghanistan zu vergleichen, wird ein US-Diplomat zitiert. Wer das Schutzgeld bezahlt bekommt als Unternehmer Gebietsschutz. Und kann ohne Konkurrenz agieren. Bezahlen muss das die Bevölkerung durch hohe Preise und schlechte Leistung. Und ein Investitionsanreiz sind solche Zustände auch nicht.

Folgen ungewiss

Auch wenn das Buch manchmal etwas reißerisch geschrieben ist, so kann man davon ausgehen, dass Gianluigi Nuzzi akribisch recherchiert hat. Das hat er schon bei seinem Vorgängerbuch gezeigt. Da ist es um die Machenschaften der Vatikan Bank gegangen. Nach der Veröffentlichung hat Papst Benedikt XVI. persönlich eingegriffen und weitgehende Reformen umgesetzt. Dass sich nach diesem Buch allerdings Italien ändert, ist kaum zu erwarten.

Service

"Metastasen: Ein Kronzeuge der `Ndrangheta enthüllt die Geheimnisse des größten Familienunternehmens der Welt", Gianluigi Nuzzi und Claudio Antonelli, 279 Seiten, Ecowin Verlag, ISBN-10: 3711000118, ISBN-13: 978-3711000118

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