Auch neue Forschungserkenntnisse

Alkohol und Armut: Kaum Therapien für Wohnungslose

Zumindest 300.000 Menschen in Österreich gelten als alkoholkrank. Die Europäische Gesellschaft für Biomedizinische Forschung zu Alkohol hält einen Kongress in Wien ab über jüngste Erkenntnisse der Hirnforschung, die Wirkweise von Alkohol - und auch über Alkohol als Armutsfaktor. Eine Botschaft: es fehlt an Therapien für arme und wohnungslose Menschen.

Mittagsjournal, 01.09.2011

Abwärtsspirale

Armut und Alkohol - da bestehe eine enge Beziehung, so Lesch ist Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Suchtmedizin. Armut, Unsicherheit, schlechte Karrierewege signifikant mit der Einnahme von Suchtmitteln wie Alkohol in Verbindung stehen. Je mehr ein Mensch trinkt, desto mehr wird er dann auch ausgegrenzt. Randgruppen werden dann auch noch zusätzlich stigmatisiert.

Kaum Therapieplätze

Stigmatisiert, so der Mediziner, obwohl Alkohol eine Krankheit sei und keine freie Entscheidung des oder der einzelnen nun süchtig zu werden.
Armut und Alkohol - ein komplexer Zusammenhang; meint auch der Sozialpädagoge Christian Wetschka; Armut und soziale Ausgrenzung könne, grundsätzlich und vereinfacht gesprochen, krank machen.

Wetschka begleitet unter anderem in Wien zwei Wohngemeinschaften für alkoholkranke, wohnungslose Menschen. Derzeit leben in den Wohngemeinschaften vom „Verein Struktur" und „VinziRast" elf Personen; zigfach mehr Menschen bräuchten Betreuung: es gebe kaum Angebote für Therapien. Psychisch kranke Menschen würden letztlich im Obdachlosenheim landen, so sie nicht hingehören.

Zu hohe Hürden

Grundsätzlich gebe es in allen Bundesländern verschiedene Angebote, doch würden erfahrungsgemäß nur ein bis zwei Prozent adäquat behandelt.

Nicht hoch- sondern niederschwellig - das würde bedeuten, dass Patientinnen und Patienten nicht eine Ambulanz aufsuchen müssen, einen Arzttermin vereinbaren oder eine Therapeutin konsultieren müssen - das sei für viele eine Hürde -, sondern dass diese zu ihnen kommen, in ihre Lebenswelt.

Projekt Fußballverein

Als Beispiel für Prävention nennt der Suchtmediziner Otto Lesch ein Projekt in Wien: ein Fußballverein für Jugendliche in einem Bezirk mit relativ vielen Menschen mit Migrationshintergrund; hier sei das Ziel nicht, Alkohol zu verbannen, sondern Jugendliche in eine Gruppe einzubinden. Kurz gefasst: Integration statt Ausgrenzung, soziales Netz statt Abseits.