Die Auswirkungen der Terroranschläge

Was veränderte 9/11?

Die Flugzeugattentate gegen die USA am 11. September 2001 haben die Welt in mehr als einer Hinsicht verändert. Ihnen folgten zwei Kriege, Einschränkungen der Menschenrechte und der bürgerlichen Freiheiten, staatliche Entführungen, Guantanamo, Abu Ghraib und natürlich der Krieg gegen den Terror.

Mittagsjournal, 6.9.2011

Fabio Polly

Krieg gegen den Terror

Der Krieg gegen den Terror, fast unmittelbar nach den Anschlägen von den USA proklamiert, hat die Welt seitdem am gravierendsten verändert. Der damalige Präsident George W. Bush erklärte schon neun Tage nach den Attentaten vor dem Kongress, dass alle globalen Terrorgruppen gejagt würden. "Unser Krieg gegen den Terror beginnt mit Al-Kaida, aber er endet nicht dort", versprach Bush.

Die "Achse des Bösen"

Ein Versprechen, das halten sollte. Das Schlagwort vom Krieg gegen den Terror hielt als Argument her für mutwillige Rechts- und Vertragsbrüche, für Entführungen durch Geheimdienste, für Folter, Spionage und das Aussetzen von Menschenrechten.

Die "Achse des Bösen" wurde geschaffen, damit die USA den Krieg gegen Saddam Hussein vom Zaun brechen konnten, gefolgt von einer Koalition der Willigen. Martialisch stellte Bush ein Ultimatum:
"Saddam Hussein und seine Söhne müssen den Irak innerhalb von 48 Stunden verlassen, sonst führen wir einen Militärschlag, wann immer es uns passt."

Kaum Widerstand

Willig waren viele Staaten auch in anderer Hinsicht. In Osteuropa konnte die CIA ungehindert Geheimgefängnisse betreiben, Menschen wurden entführt und in diesen Gefängnissen gefoltert - Widerstand regte sich kaum dagegen.

Zum Fanal wurden schließlich zwei bekannte Gefängnisse: Abu Ghraib im Irak und Guantanamo auf Kuba - beides Beispiele für den zügellosen Missbrauch von Macht.

Gefangene ohne Rechte

Aus Abu Ghraib kamen Fotos an die Öffentlichkeit, auf denen zu sehen war, wie die Häftlinge gequält, erniedrigt und gedemütigt wurden. Konnten sich die USA in diesem Fall noch auf einfache Soldaten als Gefängniswärter ausreden, war bei Guantanamo von Anfang klar, dass den hierher verschleppten alle Rechte vorenthalten werden sollten.

Die Genfer Konvention für Kriegsgefangene treffe auf sie nicht zu, hieß es, weil es sich ja um feindliche Kämpfer, nicht um Soldaten handle.

Verschleppung und Folter

Murat Kurnaz, ein in Deutschland geborener Türke, der nach Guantanamo verschleppt wurde, ohne dass sich eine Regierung um ihn gekümmert hätte, erzählt: "Viele Menschen wissen immer noch nicht, dass in Guantanamo der Jüngste neun Jahre alt gewesen ist und der Älteste über neunzig."

Vielen Verschleppten wurde nicht einmal gesagt, was ihnen vorgeworfen wird. Dafür gibt es verschärfte Verhörmethoden, eine verbale Verharmlosung von Folter.

Antiterrorgesetze verschärft

Andere Staaten erlassen oder verschärfen Antiterrorgesetze, darunter auch Österreich. Internationale Geldüberweisungen werden seither genau registriert, ausgiebige Datensätze von Flugpassagieren ausgetauscht, Mobiltelefone und E-Mails wurden in großem Stil und meist ohne ausreichende gesetzliche Grundlage überwacht. In Großbritannien werden versuchsweise öffentliche Plätze videoüberwacht - Gesichtserkennungsprogramme sollten helfen, Terroristen aufzuspüren.

Kehrtwende mit Obama

Doch mit mehreren Bombenanschlägen - darunter in London und Madrid - zeigen die Terroristen, dass man vor ihnen nie ganz gefeit ist. Mit dem neuen US-Präsidenten Barack Obama ändert sich vieles. Die Geheimgefängnisse, mit Ausnahme von Guantanamo, werden geschlossen, Folter und Verschleppung verboten.

Mühsame geheimdienstliche Aufklärungsarbeit führt schließlich zum Terrorpaten Osama bin Laden, der in einem Haus in Pakistan getötet wird. Der Krieg gegen den Terror ist zu diesem Zeitpunkt von Obama schon längst offiziell zu Grabe getragen worden - zumindest als Wortschöpfung.

Mittagsjournal, 6.9.2011

Manfred Nowak im Gespräch mit Hubert Arnim-Ellissen

Terror des Antiterrors

Manfred Nowak, Jurist und Menschenrechtsexperte, war von 2004 bis 2010, also gerade in jenen Jahren, in denen die USA das Recht auf Folter im Lager von Guantanamo beanspruchten, Sonderberichterstatter über Folter für die Menschenrechtskommission der UNO. Hat Barack Obama die USA aus dem Terror des Antiterrors wieder herausgeführt?