Alice Schwarzer im Ö1 Interview

"Bin Galionsfigur gegen Burka"

Auch nach 40 Jahren wird die Feministin Alice Schwarzer nicht müde, gesellschaftliche Missstände anzuprangern. Demokratischen Parteien wirft sie Versagen beim Thema Integration vor, erwachsene Frauen warnt sie vor Teilzeitarbeit und jungen Mädchen rät Schwarzer, "nicht immer geliebt werden zu wollen".

Mittagsjournal, 04.10.2011

Frauenrechtlerin und Journalistin Alice Schwarzer im Gespräch mit

Für ein Kopftuchverbot

Nach wie vor spricht sich Schwarzer für ein Kopftuchverbot aus. Dieses soll "freie kleine Mädchen in der Schule" bringen. Österreicher sollen sich laut Schwarzer mit Frauen und Männern des muslimischen Kulturkreises solidarisch zeigen und ihnen dieselben Menschrechte zugestehen, wie sie selbst sie auch haben. Muslimische Frauen sollen auch dieselben Freiheiten genießen. "Die Schule ist ein weltlicher Platz und da soll so ein Mädchen sich auch körperlich frei erfahren können." Wenn sie erwachsen seien, könnten Frauen ja noch immer wählen, so Schwarzer.

"Demokratische Parteien haben versagt"

Dass sie beispielsweise von der FPÖ vereinnahmt wird, die sagt sie sei eine Galionsfigur gegen Burka und Islam, ist Schwarzer gleichgültig. Das Problem sei, dass die demokratischen Parteien in Österreich es bisher nicht gewagt haben, sich zu Kopftuch und Burka entsprechend zu äußern.

"Gefahr für Frauen"

Die jüngste Diskussion in Österreich um eigene Lohnrunden für Frauen sieht Alice Schwarzer positiv. Die Gewerkschaften hätten sich um das Problem der ungleichen Entlohnung jahrzehntelang nicht gekümmert. Die große Gefahr für Frauen sieht Schwarzer allerdings darin, dass Frauen sich in die Teilzeitarbeit "abschieben" lassen. "Das ist eine Sackgasse. Da droht Altersarmut." Frauen verdienen in Österreich um 40 Prozent weniger, wenn sie Teilzeit arbeiten. Wenn sie Vollzeit beschäftigt sind, 25 Prozent.

"Emanzipation hat ihren Preis"

Im Laufe ihrer Arbeit in und für die Frauenbewegung sei sie von Frauen sowohl unterstützt als auch behindert worden. "Eine amerikanische Feministin hat einmal gesagt: Der erste Schritt, den wir Feministinnen machen müssen, ist nicht die Versöhnung mit den Männern, sondern die mit den Frauen." Traditionell sei jede andere Frau für Frauen eine Konkurrenz und Bedrohung. Frauen seien über Jahrtausende davon abhängig gewesen, dass sie die Gunst eines Mannes haben. Das könne man nicht so schnell abschütteln. 20-jährigen Frauen würde Schwarzer heute ins Stammbuch schreiben: "Nicht immer geliebt werden wollen, auch mal den Konflikt riskieren. Emanzipation hat ihren Preis."

Service

Als "Männerhasserin" und "Kampfemanze" wurde sie beschimpft. Mit ihrer Biografie "Lebenslauf" zeichnet Alice Schwarzer ein anderes Bild, als das in der Öffentlichkeit bekannte: Sie schreibt über ihre Kindheit als uneheliches Kind am Land und erstmals erzählt sie von ihrer Liebe zu einer Frau.

Alice Schwarzer, "Lebenslauf", Kiepenheuer und Witsch Verlag