Bestseller-Verfilmung aus Italien

Horror der Gefühle

"Die Einsamkeit der Primzahlen" nennt sich ein Roman, der 2008 in Italien 1,5 Millionen Exemplare verkauft hat und der seinem damals 26-jährigen Autor Paolo Giordano den wichtigsten Literaturpreis des Landes, den Premio Strega eingebracht. Nun wurde der Bestseller rund um die Lebensgeschichte von zwei gesellschaftlichen Außenseitern für das Kino verfilmt.

Kultur aktuell, 05.10.2011

Primzahl-Zwillinge nennt man zwei Primzahlen, die nur einen Zweierschritt auseinanderliegen und so ein "Pärchen" bilden, wie etwa 5 und 7, 11 und 13; irgendwie sind sie sich nahe und dennoch bleiben sie immer getrennt - genauso wie Alice und Mattia, die beiden Hauptfiguren im Film "Die Einsamkeit der Primzahlen". Auch sie fühlen eine Seelenverwandtschaft, und dennoch finden sie nicht zu einander.

Verwundete Existenzen

Es sind zwei verwundete Existenzen: Er ist hochbegabt, aber schüchtern, fast autistisch sie, hochsensibel, ängstlich und verschlossen. Beide hatten ein traumatisches Erlebnis in der Kindheit: Alice einen Skiunfall, der sie verkrüppelte, Mattia lässt als Kind seine geistig behinderte Schwester allein, die daraufhin verschwindet - eine nicht wieder gut zu machende Schuld.

Regisseur Saverio Costanzo lässt die Chronologie des Romans hinter sich und springt permanent zwischen den Zeitebenen zwischen Kindheit, Pubertät und Erwachsenenalter, rollt dabei den Leidensweg seiner beiden Protagonisten auf. Nur die bereits bekannte Geschichte des Buches wiederzugeben hätte bedeutet, so Saverio Costanzo, "die Macht des Kinos zu ignorieren".

Irritierende Schockeffekte

Nebel, die sich nicht lichten, ein Wald, der sich wie ein dunkler Schlund auftut, lange Gänge und Tunnel, in denen man sich verlieren kann, ein raffiniert gefilmtes Stiegenhaus, wie aus dem Repertoire der optischen Verzerrungen eines MC Escher.

Seltsame Störgeräusche und irritierende Schockeffekte auf der Tonspur, aber auch bizarre Farbenspiele lassen an Horror und Science-fiction denken. Ein "übersinnlicher Thriller" sei sein Film, so Saverio Costanzo, auch eine Art "Horror der Gefühle".

Angestrengte Künstlichkeit

Der Film "Die Einsamkeit der Primzahlen" entwickelt viel Fantasie, um der Isolation seiner Figuren und ihrem Weltschmerz nahe zu kommen. Fast zu viel, denn eine derart angestrengte Künstlichkeit bremst den Film auch immer wieder. Ein wenig einsam fühlen sich dann möglicherweise nicht nur die Primzahlen im Kino.