Gemeinwohl statt Gewinnstreben

Suche nach neuem Wirtschaftsmodell

Nicht weniger als eine Revolution der Wirtschaft fordert eine Gruppe von Unternehmen und Visionären aus Österreich, Deutschland, der Schweiz und Italien. Unter dem Titel "Gemeinwohl Ökonomie" setzen sie sich für ein neues Wirtschaftsmodell ein. "Weg von Gewinnstreben und Konkurrenz", wie sie es formulieren, "hin zu Kooperation und Gemeinschaft".

Mittagsjournal, 08.10.2011

Wettbewerbsfaktor

Sozial, ökologisch und demokratisch - so sollen sich Unternehmen im Idealfall verhalten, sagt der Initiator der Gemeinwohl-Bewegung, Christian Felber. Eine Mehrheit der Unternehmen sei zwar heutzutage nicht mehr auf Gewinn-Maximierung ausgerichtet, "aber solche, die es tun, können andere, die mehr soziale Verantwortung wahrnehmen oder ökologisch nachhaltiger produzieren, aus dem Markt drängen."

Neue Wirtschaftsordnung gesucht

Dabei hätten immer mehr Menschen das Bedürfnis nach mehr Solidarität im Wirtschaftsleben. Bestätigung findet Felber in einer Studie der Bertelsmann-Stiftung. Demnach sind 90 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher der Meinung, dass es in Folge der Finanzkrise eine neue Wirtschaftsordnung brauche.
Die Gemeinwohl-Bewegung glaubt diese gefunden zu haben. Mehr als 400 Unternehmen aus mehreren Staaten machen bei der Bewegung mit.

Gemeinwohl-Bilanz

Ein erster Schritt ist eine sogenannte Gemeinwohl-Bilanz, die heuer 100 Unternehmen erstellt haben. Darin soll sichtbar werden, "was sie für die Gesellschaft leisten, wie sinnvoll ihre Produkte sind, wie die Qualität der Arbeitsplätze ist, wie die Erträge verteilt werden, ob Frauen und Männer gleich behandelt werden und ob es Mitbestimmung gibt", so Felber.

Vergünstigungen als Lockmittel

Jene Unternehmen, die hier besonders gut abschneiden, sollen in Zukunft begünstigt werden, ist der Wunsch von Initiator Felber. Er kann sich mehrere Instrumente vorstellen, unter anderem "günstigere Mehrwertsteuersätze auf ihre Produkte und Dienstleistungen, günstigere Kredite bei den dann vielleicht auch gemeinwohlorientierten Banken, günstigere Zolltarife im internationalen Handel." Einige dieser Instrumente gebe es ohnehin schon, man müsse sie nur an anderer Stelle einsetzen.

Kunden nicht bereit

Allerdings muss dafür erst die Politik überzeugt werden. Noch hat es laut Felber keine Gespräche mit Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP) gegeben. Das sei aber geplant. Bis dahin müssen sich sozial und ökologisch wirtschaftende Unternehmen noch mit Wettbewerbsnachteilen plagen. Schwierigkeiten sieht etwa Ernst Gugler vom Kommunikationsunternehmen Gugler Cross Media: "Dadurch, dass wir ökologischer produzieren als andere, haben wir geringe Mehrkosten. Die Kunden sind aber weniger bereit, für diese immateriellen Werte etwas mehr Geld zu bezahlen." Gleichzeitig gebe es aber die Chance - so ein anderer Teilnehmer - eine eigene Klientel zu gewinnen, die Gemeinwohlleistungen durchaus zu schätzen weiß.