Geheimes Gerichtsgutachten liegt vor

Tod im künstlichen Koma: Ärztlicher Kunstfehler?

Nach dem Tod einer 17-Jährigen in der Linzer Nervenklinik ist Ö1 jetzt ein brisantes Gerichtsgutachten zugespielt worden. Demnach ist im Blut des Mädchens eine weit überhöhte Konzentration eines Narkosemittels festgestellt worden. Die 17-Jährige könnte an einer Überdosis Narkosemittel gestorben sein.

Morgenjournal, 10. 10. 2011

Tiefschlaf wegen psychischer Probleme

Die junge Frau hatte im Vorjahr ihren Grazer Großeltern und zwei weiteren Personen schweren sexuellen Missbrauch vorgeworfen - laut Staatsanwaltschaft aber zu Unrecht. Wegen zahlreicher Selbstmordversuche wurde die 17-Jährige dann als Therapiemaßnahme in künstlichen Tiefschlaf versetzt und starb.

Schon der Umstand, dass bei der 17-Jährigen künstlicher Tiefschlaf als psychiatrische Methode angewandt wurde, war von Experten scharf kritisiert worden. Kritik hatte es auch gegeben, weil die Anzeige nach ihrem Tod nicht das Spital sondern ein anonymer Anzeiger, möglicherweise ein Spitalsmitarbeiter, erstattet hat.

Experte vermutet Überdosis

Nun heißt es in dem toxikologischen Gutachten nach dem Tod der 17-Jährigen auch noch: Die Konzentration des Narkosemittels im Blut lag - Zitat "bereits um ein Vielfaches über dem als therapeutisch betrachteten Konzentrationsbereich". Ein von Ö1 befragter Toxikologie-Experte hält diese Formulierung noch für untertrieben. Der Experte, der wegen der Brisanz des Falles allerdings nicht namentlich genannt werden will, vermutet eine massive und tödliche Überdosierung an der Linzer Nervenklinik. (Die gemessene Methohexital-Konzentration im Blut lag über 30 Milligramm pro Liter.)

Außerdem werde das angewandte Narkosemittel Methohexital an anderen Spitälern kaum und jedenfalls nicht bei traumatisierten möglichen Missbrauchsopfern angewandt. Die Staatsanwaltschaft, die derzeit noch wegen Verdachts der fahrlässigen Tötung gegen unbekannte Täter ermittelt, müsse wohl bald konkrete Ermittlungsschritte setzen, so der Toxikologie-Experte.

"Kein ärztlicher Kunstfehler"

Der Leiter der Linzer Wagner-Jauregg-Nervenklinik, Werner Schöny, geht hingegen davon aus, dass seine Ärzte der 17-Jährigen keine Überdosis verabreicht haben und kein ärztlicher Kunstfehler passiert ist. Die Behandlung sei abgelaufen wie viele andere auch. Schöny vermutet eine unerwartete Überempfindlichkeit der Patientin gegenüber dem Narkosemittel. Und auch laut dem Anästhesisten Harald Andel vom Wiener AKH könnte eine Überempfindlichkeit der Grund für das Leberversagen und das tödliche Hirnödem bei der 17-Jährigen gewesen sein. Das Nicht-Funktionieren der Leber, so Andel, wäre eine logische Erklärung für die hohe Methohexital-Konzentration im Blut. Die Leber ist ja ein Entgiftungsorgan. Die Staatsanwaltschaft Linz verweist derzeit nur darauf, dass das abschließende medizinische Gutachten über die Todesursache noch nicht vorliegt.