Nach dem Roman von Marlene Streeruwitz

"Entfernung" am Wiener Schauspielhaus

Die Theaterfassung von Marlene Streeruwitz' Roman "Entfernung" hat am Samstag, 15. Oktober 2011, am Wiener Schauspielhaus Premiere. Es geht um eine Frau, die mit Ende Vierzig als Chefdramaturgin gefeuert und von ihrem Lebensgefährten wegen einer Jüngeren verlassen wird.

Im Zentrum des Romans stehen die oft menschenverachtenden Bedingungen im Kulturbetrieb, die Streeruwitz einer harten Analyse unterzieht. Der Schweizer Regisseur Samuel Schwarz hat sich gemeinsam mit dem Musiker Ted Gaier einen Spiegel vorgehalten.

Kulturjournal, 13.10.2011

Die Welt der Selma Brechthold bricht zusammen. Eben noch war sie selbstbestimmte Spielerin in der Theaterwelt. Sie hatte geglaubt, ihren Intendanten und seine Launen im Griff zu haben, aber der brauchte sie plötzlich nicht mehr.

Regisseur Samuel Schwarz bringt gemeinsam mit dem Musiker Ted Gaier Theater über das Theater auf die Bühne - ein schmerzhaftes Unterfangen, wie Schwarz erklärt: "Das Theater ist letztendlich eine verletzende Maschine. Es kommen viele Leute mit Traumata aus dieser Maschine. Sie ist ein gefährliches Tier." Der Theaterbetrieb sei eine Art verdichteter Realität, so Schwarz.

Verletzt und verloren

Selmas Verletzungen sitzen tief. Sie wird nicht nur bei den Wiener Festwochen ersetzt, sondern auch in ihrer Beziehung. Ihr Lebensgefährte verlässt sie für eine Jüngere, die Selma herablassend "die Ungarin" nennt. Sie reist nach London auf der Suche nach Arbeit und gerät dort in die Terroranschläge in der U-Bahn. Im Stück bleibt diesem Ereignis allerdings nur der dramaturgische Effekt einer sichtbaren Wunde.

Viel zentraler ist die Verlorenheit der Protagonistin und was sie aus ihr macht. So muss sich Selma rassistische Gedanken und pauschale Verachtung eingestehen, wie zum Beispiel gegenüber "der Ungarin", die sie in ein Kollektiv namens "Ostfrauen" steckt.

Ein "kleiner König"

In "Entfernung" wechseln die drei Schauspieler Veronika Glatzer, Barbara Horvath und Vincent Glander ständig zwischen ihren Rollen im Stück und ihren Rollen als Schauspieler. Immer wieder entstehen Bruchstellen, an denen sie ihren eigenen Umgang mit dem Stück reflektieren, "wo es dann halt die Assistenten oder Praktikanten gibt, die für nichts arbeiten", meint Ted Gaier, und wo der Regisseur eine Art kleiner König sei.

Textfassung: Ruth Halle

service

Marlene Streeruwitz, "Entfernung", ab 15. Oktober 2011, Schauspielhaus Wien,
Ö1 Club-Mitglieder bekommen ermäßigten Eintritt (zehn Prozent).

Schauspielhaus - Entfernung
Marlene Streeruwitz