Lars von Triers "Melancholia"

"Mein Film ist hochromantisch!"

Der dänische Regisseur Lars von Trier ist immer wieder für einen Aufreger gut, etwa heuer bei den Filmfestspielen von Cannes, wo er durchaus Sympathien für Hitler zeigte. Das sorgte für einen Skandal und stellte seinen neuen Film "Melancholia" bedauerlicherweise ein wenig ins Abseits.

Kultur aktuell, 20.10.2011

Eine Frau mit schlafwandlerischem Blick, tote Vögel fallen vom Himmel, ein schwarzes Pferd bricht zusammen, eine andere Frau versinkt mit ihren Schritten im Gras. Das alles in Zeitlupe und zu den Klängen von Wagners "Tristan und Isolde". Eine sieben Minuten lange Ouvertüre stellt Lars von Trier seinem Weltuntergang voran, erratisch und bildgewaltig. Dieser Weltuntergang schleicht sich langsam an. Der Planet Melancholia steuert unaufhaltsam auf die Erde zu.

Auflösungserscheinungen überall

Die Apokalypse als Leitmotiv. Sie bedroht die Menschen von außen wie von innen. Manchmal macht das gar keinen Unterschied, wenn die Gefühle ohnehin so sind, als könnte ihnen kein Weltuntergang mehr etwas anhaben. Justine zum Beispiel. Eigentlich müsste sie glücklich sein. Es ist der Tag ihrer Hochzeit, doch Auflösungserscheinungen überall. Der Vater spottet über die Mutter, die wiederum hat eine seltsame Art zu gratulieren, indem sie aus ihrer Abneigung gegenüber der Hochzeit kein Geheimnis macht, der Ehemann reist noch in der Hochzeitsnacht ab.

Irgendwann sitzt Justine im weißen Kleid einsam auf einem Stapel von Stühlen, die Kamera, zuvor ein beständiger Unruheherd, sieht sie von weitem an. Plötzlich ganz ruhig. Endlich kann die Depression ungestört ihrem Wesen nachgehen. Lars von Trier: "Natürlich ist das auch eine Beschreibung meiner eigenen Depression."

Bilder von betörender Eleganz

Der Widerpart zu Justine ist die Schwester Claire, nach außen hin ein Erfolgsmodell von Leben, doch im Angesicht der finalen Auslöschung werden alle Charakterunterschiede ohnehin banal. Bibelzitate und Stilisierungen von ironischer Tragweite, Bilder von betörender Eleganz, Existenzfragen, Pathos und Familienabgründe. Eine Tragödie? Aber woher denn, meint Lars von Trier mit seinem speziellen Humor: "Mein Film ist hochromantisch!"

Mit seinen launigen Provokationen stellt sich der Däne immer wieder selbst ein Bein. Der Nazi-Sager etwa bei den heurigen Filmfestspielen von Cannes ("Ok, ich bin ein Nazi") hat seinen moralisch echauffierten Gegnern vor allem eines geliefert: einen willkommenen Anlass, sich mit dem Werk nicht ernsthaft auseinander setzen zu müssen. Dabei kann der Weltuntergang im Kino so schön sein.

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