Interview mit Ulay

Viennale zeigt Kunsträume im Film

Um Filme, die an ganz bestimmten Orten gedreht werden, nämlich in Ateliers, Museen und Galerien, geht es im Viennale-Spezialprogramm "Between Inner and Outer Space". Für diese Schau hat das Kuratorenduo Dietmar Schwärzler und Christian Helbock Filme ausgesucht, die oft nicht nur in Kunsträumen gedreht wurden, sondern meist auch in Kunsträumen, also Museen oder Galerien, gezeigt werden.

Jetzt hat man die Gelegenheit, diese Arbeiten auf der großen Leinwand zu sehen - darunter Filme von so bekannten Künstlern wie Bruce Naumann, Derek Jarman und Ulay. Letzterer, der unter anderem aufgrund seiner jahrelangen Zusammenarbeit mit der Performance-Künstlerin Marina Abramovic bekannt ist, ist als Gast der Viennale nach Wien gekommen.

Das Ö1 Kulturjournal hat Ulay getroffen und mit ihm über Performancekunst, den Ausbruch aus dem White Cube und künstlerisches Teamwork gesprochen.

Kulturjournal, 24.10.2011

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Ulay
Viennale

Ein abgründiges Pas de deux

Zwölf Jahre lang waren sie das Traumpaar der Performancekunst, schlugen sich, verharrten 16 Stunden Rücken an Rücken, zeigten in einer dreimonatigen Marathonperformance, dass man einander täglich acht Stunden bewegungslos anstarren kann.

Zwischen 1976 und 1988 führten Ulay und Marina Abramovic am Kunstparkett ein abgründiges Pas de deux auf und malträtierten ihre Körper bis an die Grenzen der Belastbarkeit. Die Kunstwelt verdankt ihnen Performances so legendär wie schwer verdaulich.

Ungemütliche Performances

"Performance war eine äußerst ungemütliche Geschichte. Sie fanden oft außerhalb von Galerien und Museum statt, weil sie einfach zu ungemütlich waren", erinnert sich Ulay an die gemeinsame Arbeit mit Abramovic. "Wir haben Performances gemacht, weil wir wollten, dass sich Museen, Institutionen aber auch Galerien dem Leben zuwenden. Wir wollten, dass sich die Kunstszene mit einer Ethik der Kunst befasst und sich nicht darauf verlässt, dass die Welt durch reine Ästhetik verändert wird."

Wirkung im öffentlichen Raum gefordert

Raus aus dem White Cube und den verkrusteten Institutionen, hinein ins Leben. Die Kunst, so eine zentrale Forderung der 1960er und 1970er Jahre, soll in den öffentlichen Raum ausstrahlen. Eine Losung, die auch in einigen Arbeiten der Viennale- Filmschau "Between Inner and Outer Space" propagiert wird. Etwa in David Lamelas titelgebenden Film "A Relationship Between Inner and Outer Space" aus dem Jahre 1969, der im Londoner Camden Arts Center beginnt und mit einer Straßenbefragung endet.

Eine ähnlich skeptische, wenn auch ungleich radikalere Haltung gegenüber dem Kunsttempel demonstrierte Ulay 1976 in seiner bekannten Kunstraub-Aktion, deren Dokumentation "Da ist eine kriminelle Berührung in der Kunst" ebenfalls im Viennale-Programm "Between Inner and Outer Space" zu sehen ist.

Kunstraub als Kunstwerk

Am 13. Dezember 1976 spazierte der damals 33-jährige Ulay in die Neue Nationalgalerie in Berlin, entwendete kurzerhand Carl Spitzwegs Gemälde "Der arme Poet", spazierte danach quer durch Berlin Kreuzberg und hängte Hitlers Lieblingsgemälde schließlich im Wohnzimmer einer türkischen Gastarbeiterfamilie auf, um daraufhin dem Direktor der Nationalgalerie mitzuteilen, wo er das Gemälde wieder abholen kann.

"Die erste Reaktion der Boulevardpresse war wirklich hysterisch. Man ging davon aus, dass es sich um linksradikale Terroristen handelt, die ein Bild stehlen, um sich zu bereichern um Waffen zu kaufen", erinnert sich Ulay. "Natürlich wollte ich mich nicht bereichern. Ich war ja nur für ein paar Stunden Millionär. Nach meiner Verhaftung habe ich gesagt, dass der Raub demonstrative Aktion war, die darauf abzielte, die Institutionalisierung der Kunst und die Berliner Kulturpolitik in Frage zu stellen."

Dieser Protest gegen die Institutionalisierung der Kunst, dieser ironisch augenzwinkernde Versuch, die Kunst zu den Menschen zu bringen, brachten Ulay neben einer gewissen Berühmtheit ganze 24 Stunden Stunden Untersuchungshaft ein.

Lifestyle-Träume

Dass es in Kunst- und Ausstellungsräumen nicht immer ganz so spektakulär zugehen muss, zeigen andere Filme, die in der Viennale-Schau "Between Inner and Outer Space" gezeigt werden. Fast meditativ wirkt es, wenn Bruce Naumanns seines Arbeitsplatzes räumlich untersucht und die Wände seines Ateliers mit der Kamera Zentimeter für Zentimeter abtastet.

Einen wieder anderen Zugang bieten Ronny Heiremans und Katleen Vermeir. Sie beschäftigen sich mit dem Wandel des Museums vom Kunsttempel zum luxuriösen Immobilienobjekt, das mit dem Versprechen lockt, Lifestyle-Träume zu erfüllen.

Die Filmschau "Between Inner and Outer Space. Kunsträume im Kino" ist bis Samstag, 29. Oktober 2011 im Wiener Künstlerhauskino zu sehen.