3 Millionen mit türkischem Migrationshintergrund

D: 50 Jahre türkische Einwanderung

Am Sonntag jährt sich zum 50. Mal der Abschluss eines Abkommens, mit dem es möglich wurde, Arbeitskräfte aus der Türkei in großer Zahl nach Deutschland zu holen. Heute leben in Deutschland rund drei Millionen Menschen mit türkischem Migrationshintergrund.

Mittagsjournal, 29.10.2011

Zug aus Istanbul

Am Hauptbahnhof von Istanbul hat sich dieser Tage ein Zug in Bewegung gesetzt. Komfortabel im Schlafwagen reisten Menschen noch einmal in Richtung Deutschland, die das vor 50 Jahren unter wesentlich weniger komfortablen Umständen schon einmal gemacht hatten. Motiviert durch eine triste Wirtschaftslage im eigenen Land und durch Aufrufe aus der deutschen Industrie, die händeringend nach Arbeitskräften aus dem Ausland suchte. Spontan fiel da oft der Entschluss.

Anwerbeabkommen vor 50 Jahren unterzeichnet

Vor 50 Jahren, am 30. Oktober 1961, unterzeichneten Regierungsvertreter aus Deutschland und der Türkei in Bonn-Bad Godesberg einen Vertrag, das sogenannte Anwerbeabkommen. Es war der Beginn der türkischen Einwanderung nach Deutschland, auch wenn beide Staaten anfangs ganz andere Vorstellungen von dem hatten, was sie da in Bewegung setzten. Migrationsforscher Thomas Faist aus Bielefeld kennt das ursprüngliche Modell: "Es war ja so gedacht, dass nur unverheiratete Männer und Frauen kommen, die nur für 2 Jahre bleiben sollten."

Arbeitskräfte gerufen, Menschen gekommen

Aber davon wurde bald abgegangen, auch deshalb, weil die Industrie die gerade erst angelernten Arbeiter nicht so schnell wieder ziehen lassen wollte. Und so wurde es bald immer deutlicher, dass Deutschland Arbeitskräfte gerufen hatte, aber Menschen gekommen waren. Menschen, die bald auch ihre Familien nach Deutschland holten, wie Ömer Yilderim, der in einem der ersten Züge des Jahres 1961 nach Deutschland saß: Die Kinder wollten nicht mehr zurückgehen und dann ist die Familie geblieben.

1. Generation meist zufrieden

Die erste Generation, das ist auch die zufriedenere Generation unter den Türken und türkischstämmigen in Deutschland, meint der Migrationsexperte Hadci Halil Uslucan aus Essen. Zumindest der okonömische Traum vom schnellen Reichtum habe sich bei der ersten Generation am ehesten realisiert. Die Probleme sind größer für die folgenden Generationen der Türken in Deutschland. Vielen ist hier der gesellschaftliche Aufstieg gelungen, aber sehr viele haben nie so richtig Fuß gefasst im Deutschland von heute.

Konfrontation mit Vorurteilen

Aber wenn etwa der Autor Thilo Sarrazin vorrechnet, dass Türken und Araber in Deutschland die größten Schwierigkeiten dabei haben, sich zu integerieren, dann sieht sich Mehmet Yilderim aus Duisburg wieder mit den alten Vorurteilen konfrontiert. Dann stelle man sich immer wieder die Frage, ob man richtig sei.

Zuzug 1973 gestoppt

Der Zuzug von türkischen Gastarbeitern nach Deutschland wurde übrigens im Jahr 1973 gestoppt. Seither darf eigentlich nur noch kommen, wer enger Familienangehöriger ist oder überdurchschnittlich qualifiziert. Um die Gut-Qualifizierten wirbt allerdings jeder, auch die Türkei. Und so kommt es, dass seit nunmehr sechs Jahren mehr Menschen in die Türkei zurückwandern als aus der Türkei nach Deutschland gehen. Die große Chance aufs neue Leben bietet sich vielen jetzt auf umgekehrtem Weg.