Lebenswelten von Frauen im Islam

Der Islam und die Frauen

Wie unterschiedlich ein und dieselbe Passage des Korans übersetzt werden kann, ist eines der Themen, auf die Irene Schneider in ihrem Buch "Der Islam und die Frauen" eingeht. Koranexegese aus weiblicher Sicht.

Was steht tatsächlich im Koran? Und wie sind die Worte des Korans zu verstehen? Muss man den Text wortwörtlich nehmen? Darf man ihn interpretieren? Und wenn ja, wie? Diese Fragen bewegen längst nicht mehr nur Rechtsgelehrte in der islamischen Welt. Fundamentalisten maßen sich an, ihr Verständnis des Koran auch mit Gewalt durchzusetzen.

Auf der anderen Seite gibt es eine wachsende Zahl von muslimischen Frauen, die ebenfalls den heiligen Text genau studiert, zu ihren eigenen Schlussfolgerungen gelangt und damit das männliche Establishment heraus fordert. Wenn Koranexegese aus weiblicher Sicht betrieben wird, dann führt sie - wie dies ja auch bei der Bibelexegese der Fall ist - zu anderen Erkenntnissen, als wenn Männer, noch dazu patriarchale Geister, die selben Texte analysieren.

Schreibt Irene Schneider in ihrem Buch "Der Islam und die Frauen". Viele Musliminnen streben lediglich eine "größere" Gleichheit zwischen Männern und Frauen an. Irene Schneider verweist auf drei Idealtypen - die islamistische Feministin, die im Namen des Glaubens die größten Einschränkungen verficht; die muslimische Feministin, die eine Balance zwischen Glauben und modernen, auch in internationalen Abkommen verankerten Rechten sucht; und die säkulare Feministin, die für eine stärkere oder vollständige Trennung von Staat und Religion eintritt.

Das sind, wie gesagt, Idealtypen, die Realität ist weitaus komplexer. In der Behandlung dieser Idealtypen tritt allerdings eine der Schwächen des vorliegenden Buches zutage. Leser und LeserInnen erfahren zwar, dass auch islamistische Feministinnen für sich das Recht einer eigenständigen Koran-Lektüre einfordern und zu einem teilweise anderen Verständnis als die Männer gelangen.

Doch wie sie den Text verstehen, bleibt offen. Verstreut über diverse Kapitel des Buches finden sich einzelne Hinweise. Gerade angesichts des Erstarkens der islamistischen Bewegungen in den vergangenen Jahrzehnten wäre die detaillierte Argumentation islamistischer Frauen aber von großem Interesse, schließlich engagieren sich manche dieser Frauen auch in politischen Gruppen.

Irene Schneider gibt einen Überblick über die Anfänge des Islams und das Leben Mohammeds. Sie erklärt die zentralen Regeln des Korans zum Geschlechterverhältnis sowie die rechtliche Entwicklung im 20. und frühen 21. Jahrhundert und das wachsende Engagement zivilgesellschaftlicher Organisationen.

Sie geht - immer auf der Basis der jeweiligen Koransuren - auf die harten Körperstrafen ebenso ein wie auf fortschrittliche Tendenzen. Dazu liefert sie eine Reihe von Fallbeispielen, um Streitfälle und unterschiedliche Deutungen zu illustrieren - etwa die Klage eines ägyptischen Vaters, dessen Töchter wegen des Gesichtsschleiers aus der Schule ausgeschlossen wurden.

Die Klage wurde vom ägyptischen Verfassungsgericht abgewiesen.

Irene Schneider konzentriert sich in ihrem Buch auf die muslimische Welt von Marokko bis Afghanistan, die ursprüngliche Kernregion des Islams. Von den weltweit rund 1,5 Milliarden Muslimen lebt heute die Mehrheit ja in Süd- und Südostasien, doch alle diese kulturell und historisch äußerst unterschiedlichen Regionen miteinzubeziehen, hätte das Buch wohl überfrachtet. Angeschlossen ist hingegen ein knapper Einblick in das Thema "Musliminnen in Deutschland".

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