Ausstellung im Kunst Haus Wien

Fotografen-Legende Cartier-Bresson

Der 2004 im Alter von 96 Jahren verstorbene Franzose Henri Cartier-Bresson war wohl einer der berühmtesten Fotografen des 20. Jahrhunderts. Er war auch ein großer Reisender. Davon zeugt auch eine große Ausstellung, die heute im Kunst Haus Wien eröffnet wird: "Der Kompass im Auge: Amerika - Indien - Sowjetunion" zeigt Bilder, die er auf Reisen knapp nach dem Zweiten Weltkrieg in diese drei Länder gemacht hat.

Mittagsjournal, 16.11.2011

Im richtigen Moment am richtigen Ort

50 Jahre lang hat Henri Cartier-Bresson, bewaffnet mit einer Kleinbildkamera, seiner geliebten Leica, die Welt bereist. Und er hat es geschafft, immer im richtigen Moment am richtigen Ort zu seien. So hat er Gandhi noch wenige Stunden vor seiner Ermordung getroffen und unmittelbar danach die Trauer und Verbrennungszeremonien geknipst. Ebenso hielt er den letzten Vizekönig von Indien, Lord Mountbatten, fest wie arme Bauern oder Erleuchtete.

In den USA fotografiert er Künstler und Stars in sehr lebendigen Portraits, sei es Marilyn Monroe am Set von "Misfits", der Schriftsteller William Faulkner, der Choreograph George Balanchine oder der Komponist Igor Strawinsky. Mit dem Autor Truman Capote reist er nach New Orleans, wo er Bilder des Alltags festhält, ebenso wie er in New York Demonstrationen oder arme Leute, aber auch die Schönen und Reichen verewigt - zum Teil in Schnappschüssen, die in ihrer Komposition aus Licht und Schatten höchst beeindruckend sind. Für ihn war der "entscheidende Augenblick" wichtig. Man hält das Motiv fest und das sei der Spaß am Fotografieren, erzählte er einmal im Interview. Es sei ein großes Vergnügen, wenn sich ihm ein Motiv aufdränge, und er im richtigen Moment abdrücken würde.

Starke Bildkompositionen

Dazu Andreas Hirsch, Kurator der Ausstellung im Kunst Haus Wien: "Natürlich gibt es auf seinen Kontaktabzügen die Aufnahme davor und die Aufnahme danach. Er hat natürlich auch mit der Komposition gespielt, aber dieses Moment so stark kulturviert in seinem Werk, dass es so zentral werden konnte."

Henri Cartier-Bresson im richtigen Moment am richtigen Ort, so war er auch der erste westliche Fotograf, der nach dem Tod Stalins in die Sowjetunion reisen durfte. "Er hat seine Kontakte gepflegt, ausgebaut, und natürlich haben seine Bücher und seine frühe Berühmtheit - unter anderem seine Ausstellung im Museum of Modern Art gleich nach dem Zweiten Weltkrieg - als Türöffner zu verschiedensten Persönlichkeiten funktioniert", so Hirsch.

Drei Jahre Kriegsgefangenschaft

Diese Ausstellung im New Yorker MOMA 1947 war als posthume Schau gedacht, denn man glaubte, Henri Cartier-Bresson sei im Weltkrieg umgekommen. Tatsächlich hat er drei Jahre in Kriegsgefangenschaft verbracht, ehe ihm nach zwei missglückten Versuchen die Flucht gelang. So konnte er u.a. die Befreiung Frankreichs in Bildern festhalten.

Ursprünglich hatte sich der junge Henri für Malerei interessiert und war in engem Kontakt mit den Surrealisten. Doch bald entschied er sich für die Fotografie, auch wenn er das Malen nie ganz aufgab. Vielleicht erklärt das auch seinen Sinn für die Bildkomposition.

Zeichnen und Fotografie

Man habe als Fotoreporter immer die Kamera in der Hand, so Cartier-Bresson, das beschäftige einen sein ganzes Leben, jeden Augenblick, und es sei schwer, das mit dem Zeichnen zu teilen. Für ihn sei das Fotografieren eine Art zu zeichnen, sein Tagebuch zu führen.

Textfassung: Rainer Elstner

Service

"Der Kompass im Auge", 16. November 2011 bis 26. Februar 2012, Kunst Haus Wien

Kunst Haus Wien