"Die Frau, die singt" im Kino

Einsicht und Versöhnung

"Incendies", also "Brände", nennt der aus dem Libanon stammende Autor Wajdi Mouawad ein Theaterstück, in dem er den Bürgerkrieg in seinem Heimatland aufarbeitet. Nun hat der kanadische Regisseur Denis Villeneuve einen Film daraus gemacht unter dem deutschen Titel "Die Frau, die singt".

Der Film war heuer auch für den Oscar als bester nicht-englischsprachiger Film nominiert.

Kultur aktuell, 26.11.2011

Den Vater haben sie für tot gehalten, von einem Bruder wussten sie bisher nichts. Bei der Testamentseröffnung nach dem Tod ihrer Mutter werden Zwillingsgeschwister im kanadischen Quebec mit seltsamen Neuigkeiten konfrontiert. Eine Suche beginnt - nach der Geschichte der Mutter, die aus dem Nahen Osten stammt, nach der eigenen Vergangenheit, nach den eigenen Wurzeln.

Regisseur Denis Villeneuve legt diese Suche wie eine griechische Tragödie an, fächert die Geschichte auf in eine Gegenwart und Rückblenden aus den 70er und 80er Jahren, führt tief hinein in einen Bürgerkrieg, wobei der genaue Ort des Geschehens bewusst fiktiv gehalten wird, auch um politisch neutral zu bleiben, wie Regisseur Denis Villeneuve betont. Der Film wolle über den Zorn sprechen, aber keinen neuen Zorn damit schaffen.

Singen als Überlebensstrategie

Parallelen zum Libanon, woher Wajdi Mouawad, der Autor des als Vorlage dienenden Theaterstücks "Incendies" kommt, sind dennoch unverkennbar. Im Gefängnis erleidet die Mutter schreckliche Folter. Das Singen wird zur Überlebensstrategie.

Christen und Muslime, Gewalt und Gegengewalt, es ist ein endloser Kreislauf von Hass, der die Gemüter des Kriegs antreibt. Eine Liebe, die nicht sein darf, ein Kind, das verstoßen wird, ein Massaker an Zivilisten, das sinnlos zu nennen noch eine grobe Untertreibung wäre. Denis Villeneuve gibt dem Schrecken ein Gesicht. Anhand konkreter Figuren wird der Schmerz nachvollziehbar. Auch bei den Recherchen in der Gegenwart stoßen die Zwillinge auf immer noch unüberwindbare Gräben.

Verdichteter Realismus

Regisseur Villeneuve hätte all die Schicksalsschläge emotional ausbeuten können, kinogerecht und melodramatisch für ein Massenpublikum. Dieser Option setzt er aber einen verdichteten Realismus entgegen, der Täter und Opfer stets eindeutig kenntlich macht, aber im Zusammenwirken eines fatalen Kreislaufs ihre Rollen auch relativiert. Nicht Schuld und Sühne stehen dann im Vordergrund, sondern Einsicht und Versöhnung.

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IMDb - Die Frau, die singt