Erbe der Ära Berlusconi

Italiens Frauenbild

Pralle Busen, nackte Schenkel - so werden Frauen im italienischen Fernsehen seit fast drei Jahrzehnten in der Medienmaschinerie Silvio Berlusconis gezeigt. Eine solche Darstellung von Weiblichkeit sei gefährlich, meint die Soziologin Lorella Zanardo, die in der Kunstuniversität Linz zu Gast war. Frauenarbeitslosigkeit in Italien und eine orientierungslose Jugend seien nur einige der Folgen.

Kulturjournal, 02.12.2011

Wer sind wir? Was wollen wir? Warum gehen nicht alle Frauen Italiens auf die Straße und protestieren dagegen, wie Zirkus-Äffchen mit nacktem Fleisch vorgeführt zu werden?

Mit diesen Fragen beginnt Lorella Zanardos Dokumentarfilm "Il Corpo delle Donne" - Der Körper der Frauen - in dem sie das Phänomen leicht bekleideter Fernsehquiz-Assistentinnen, sogenannte Velinas, oder Badeanzug-tragender Co-Moderatorinnen unter die Lupe nimmt.

"In Italien werden Frauen im Fernsehen zu Lustobjekten degradiert - und das seit 30 Jahren, 24 Stunden am Tag, auf fünf von sechs öffentlichen Sendern", sagt Zanardo. "Natürlich beeinflusst das die gesellschaftliche Sicht auf Frauen: Frauen als reine Dekorationsgegenstände, lächelnde, geistlose Wesen, die das Mikrophon nie selbst in der Hand halten, sondern einem - meist älteren - Herrn am Arm hängen und ihm zur Seite stehen und Dinge reichen. Genau dieses Bild wird vermittelt - und hat mehr als eine Generation geprägt."

Mädchen eifern Velinas nach

Italien ist an 84. Stelle im internationalen Ranking, was Frauen in Führungspositionen betrifft. Das kommt nicht von ungefähr, meint Lorella Zanardo, denn ein mediales Frauenbild, dem nur Körperlichkeit, aber kein Intellekt zugesprochen wird, sei nicht gerade förderlich für die Gleichstellung in der Arbeitswelt:

"Natürlich hat das Fernsehen Einfluss auf unsere Entscheidungen und unser Bewusstsein! Ein Bankdirektor, der entscheiden muss, ob er eine Frau in den Vorstand wählt, kann sich des Bildes nicht erwehren, dass Frauen nun mal hilflos sind, und man ihnen besser keine Verantwortung übergibt."

Schlimmer noch, die italienischen Frauen haben Jahrzehnte lang selbst diesem Ideal der Velinas nachgestrebt, sie zum Vorbild erhoben. Auch hier sieht Zanardo die Ursache in den Medien: "Wenn wir Vorträge in den Schulen halten, erzählen mir viele junge Mädchen, dass ihr Babysitter der Fernseher gewesen ist. Und das merkt man - diese Mädchen eifern einem TV-Ideal nach!"

Erste Erfolge

Was also tun? Nicht etwa den Fernseher verbieten - das würde eine junge Generation niemals akzeptieren. Lorella Zanardo setzt auf mediale Bildung, tourt mit ihrem Dokumentarfilm durch die italienischen Schulen und bietet Medienpädagogik für Lehrer in der Toskana an. Dabei setzt sie auf die Medientheorien des österreichischen Philosophen Sir Karl Popper, der bereits in den 1970er Jahren vor den Gefahren einer Fernseh-Demokratie ohne Selbstkontrolle hingewiesen hat.

"Ich bin der Meinung, dass eine Demokratie die Verpflichtung hat, ihren Bürgern unterhaltsame und nicht-sexistische Fernsehprogramme zur Verfügung zu stellen", so Zanardo. "Karl Popper spricht von der 'Verbindlichkeit zur Erziehung einer mündigen Seherschaft' und das ist vollkommen richtig!"

Mit ihren Kampagnen an Schulen und ihrer Dokumentation "Il Corpo Delle Donne" verzeichnet Lorella Zanardo auch bereits erste Erfolge: Millionen Italienerinnen haben in den vergangenen Wochen wütend bei Demonstrationen Berlusconis Rücktritt gefordert: Italien sei kein Bordell, lautete ihr Slogan, "Wir sind keine Huren, keine Madonnen, und wir sind viele". Dabei ging es nur zum Teil um die mediale Darstellung der Frauen im Fernsehen, die Wut richtete sich auch gegen die immer groteskeren Vorwürfe sexueller Eskapaden Berlusconis. Dennoch, mit Berlusconi könnte auch die Ära der Velinas zu Ende gehen, obwohl sich die Spaßpüppchen bereits in das Alltagsbewusstsein eingeprägt haben.

Textfassung: Ruth Halle

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