Architektonische Rundreise

Stadtporträt Kiew

In der internationalen Presse geistert ein Gespenst: Die Ukraine drohe, so die Einschätzung, vom einstigen Hoffnungsträger des Westens zu einem zweiten Weißrussland zu werden.

Manche Menschrechtsorganisationen haben das Land bereits von einem "freien" zu einem nur noch "teilweise freien" Staat herabgestuft.

Der Weg weise eigentlich, so sind sich viele sicher, in Richtung Autokratie und Kleptokratie. Auf der einen Seite – Stichwort Gasimport – darf die Ukraine seinen Nachbarn Russland nicht verärgern, andererseits will das Land näher an die EU rücken und gar Mitglied werden. Ein geopolitischer Spagat, der mit einem Leistenbruch enden könnte.

Architektonisch bietet die Hauptstadt der Ukraine viele Schichten: von alten russischen Klöstern und Kirchen über Barock und Jugendstil bis zur Sowjet-Architektur der 1920er und 1930er Jahre.

Städte waren von jeher komplexe Akkumulationen von Umwelt, Gesellschaft und Individuen; ihrer ökonomischen, sozialen, kulturellen und politischen Ressourcen. Städte waren auch der Stimulus für Fortschritt und eine beschleunigte Evolution. In den westlichen Metropolen hätten sich Demokratien nie und nimmer durchsetzen können, wären ihre Prinzipien nicht in ihre urbanen Räume übersetzt und implementiert worden.

Die Ukraine und im speziellen Kiew bildet da keine Ausnahme. Werden also diese Prinzipien nicht umgesetzt, wird Kiew als Stadt keine gute Entwicklung nehmen. Hier konzentrieren sich alle Besonderheiten, Schwächen und Asymmetrien seit den Wendejahren. Vieles von dem, was andere Städte in Bezug auf ihre Entwicklung schon seit Jahrzehnten in ihren diskursiven Räumen abhandeln, hat Kiew allerdings noch vor sich. Gute Absichten und schöne Reden reichen nicht. Kiew muss handeln, um europäische stadtplanerische, erfolgreiche Standards zu erreichen. Fest steht jedenfalls, dass Kiew ein reiches architektonisches Erbe herzeigen kann.