Vorwurf durch "Ärzte ohne Grenzen"

Syrien: "Regime foltert Verletzte und Ärzte"

Die syrischen Regierungstruppen gehen weiter brutal gegen Regimegegner in der Stadt Homs vor. Und die Hilfsorganisation "Ärzte ohne Grenzen" wirft dem syrischen Regime vor, sogar Verletzte zu verfolgen und zu foltern. Sollten Ärzte verletzte Patienten nicht melden, würden sie ebenfalls verfolgt, berichten Vertreter der Hilfsorganisation.

Mittagsjournal, 9.2.2012

Verhör vor Behandlung

Im Prinzip bescheinigt "Ärzte ohne Grenzen" Syrien ein gut funktionierendes medizinisches Versorgungssystem: Francoise Bouché Sonnier von "Ärzte ohne Grenzen" betont, dass es im ganzen Land gute Spitäler gebe. Dennoch schlägt die Organisation Alarm. Denn die Ärzte müssen, sobald sie einen Verletzten behandeln, dies den Sicherheitskräften melden. Und noch bevor die Behandlung stattfinden kann, muss der Patient verhört werden.

Wenn jemand bei einer Demonstration oder von Scharfschützen verletzt wurde, wird er nach Angaben von Bouché Sonnier nicht behandelt. Ein Arzt, der versuchen sollte, den Patienten falsch zu deklarieren, werde sofort verhaftet. Sowohl Arzt als auch Patient würden dann gefoltert: "Wir haben viele Fälle von Folter durch Strom gesehen", sagen die Mitarbeiter von "Ärzte ohne Grenzen".

Versorgung im Ausland

An die Informationen gelangen die Helfer durch Flüchtlinge, die das Land verlassen. "Ärzte ohne Grenzen" behandelt Verletzte außerhalb von Syrien. Viele von ihnen waren Wochen, wenn nicht Monate unterwegs. Es kommen aber nur Menschen mit Verletzungen an den Gliedmaßen durch. Menschen mit Bauchschüssen oder andere Schwerverletzte überleben die Reise nicht, sagt Francoise Bouché Sonnier. Sie werden im Untergrund behandelt, in kurzfristig adaptierten Küchen oder Kellern. Die Überlebenschancen sind gering.

Vom Operationstisch geholt

Ein syrischer Arzt berichtet, dass einer seiner Patienten von den Sicherheitskräften aus dem Operationssaal herausgeholt wurde: "Er war unter Anästhesie. Wir haben ihn nie wieder gesehen." Die Hilfsorganisation hat anonyme Zeugen befragt. Ihre Stimme wurde verfälscht damit sie nicht verfolgt werden können. Ein Patient berichtet dass ihm die Hand amputiert wurde, "dabei hätten sie mich in Damaskus behandeln können. Es hätte genügt, den verletzten Finger zu desinfizieren."

Ein anderer berichtet, er hätte operiert werden sollen, doch im Spital wurde ihm nur eine Infusion gegeben: "Sie wollen dass wir verfaulen, dass unsere Wunden nicht heilen." Einer berichtet vom Gefängnis. Dort sind viele schwer verletzt: "Sie sind verlassen, niemand kümmert sich um sie. Es wird nur darauf gewartet dass sie sterben."

Schätzungsweise 50.000 Verletzte

"Ärzte ohne Grenzen" hat nur wenige behandeln können, dabei wird die Zahl der Verletzten sehr hoch geschätzt: "Bei 5.000 Toten - wir haben die Erfahrung, dass man die Zahl mit zehn multiplizieren muss, um auf die Zahl der Verletzten zu kommen, sagt Francouse Bouché Sonnier. Die Organisation klagt an und möchte die internationale Gemeinschaft wachrütteln.