Opernbesucher im Ausnahmezustand

"Nach der Oper. Würgeengel." ist der Titel eines Theaterabends, der am Sonntag, 12. Februar 2012, im Kasino am Schwarzenbergplatz über die Bühne gehen wird. Regie führt Martin Wuttke, Nestroypreisträger, Ensemblemitglied am Burgtheater und in den 90er Jahren kurzfristiger Intendant des Berliner Ensembles.

Er lässt einen Film von Luis Bunuel aus dem Jahr 1962 wiederauferstehen, in dem Bunuel eine bürgerliche Elite im Zerfallsprozess zeigt.

Mittagsjournal, 10.02.2012

Die Bourgeoisie sezieren

Nach der Oper trifft sich eine feine Gesellschaft in großer Abendrobe zu einem Fest. Plötzlich wird klar, dass niemand den Raum verlassen kann, obwohl die etwa 20 Menschen physisch nicht daran gehindert werden. Offene Türen und Fenster würden ein Hinausgehen theoretisch jederzeit zulassen. Es vergehen einige Tage, die Menschen werden nervös und hysterisch. Nahrungsmittel und Wasser gehen aus. Einer der Gäste stirbt, ein junges Paar begeht Selbstmord.

Man verliert die Contenance, man beschimpft sich, man beginnt zu stinken. Wie unter einer Lupe hat Bunuel die Bourgeoisie hier eingefangen, um sie zu sezieren. Martin Wuttke veranschaulicht das mit großformatigen Videoprojektionen im Hintergrund, die blutige Szenen des Verfalls zeigen. Den 3. Akt von "Tristan und Isolde" hat Wuttke in das Geschehen eingebaut und erhöht damit die Dramatik der Handlung.

Keine psychoanalytische Deutung erwünscht

In Zusammenarbeit von Schauspielern wie Bibiane Zeller und Maria Happel, mit Sängern wie Hege Gustava Tjonn und Duccio Dal Monte entsteht hier ein eigenwillige Form des Musiktheaters. Welche unsichtbare Macht es ist, die die Menschen hier einschließt, bleibt offen. Bunuel selbst hätte sich wohl dagegen verwehrt, das psychoanalytisch zu interpretieren, hasste er doch die Psychoanalyse, wie er einmal sagte.

Auch wehrte er sich gegen eine symbolisch überanstrengte Lektüre seiner Filme - was auch Regisseur Martin Wuttke für diesen Theaterabend in Anspruch nimmt. Vielleicht geht es da ganz einfach um eine Orgie, die nicht gelingt, denn auch im allgemeinen Dahinsiechen gibt es da als letzte Zuckungen immer noch Männerhände zu sehen, die sich auf ein weibliches Hinterteil verirren.

Textfassung: Ruth Halle

Service

Ö1 Club-Mitglieder bekommen im Kasino am Schwarzenbergplatz ermäßigten Eintritt (zehn Prozent).

Burgtheater - Nach der Oper. Würgeengel.