Die Macht der Liebe

Die Frauen der Diktatoren

Asmaa Al-Assad, die Frau des syrischen Präsidenten Bashir Al-Saddad, soll versucht haben, sich ins Ausland abzusetzen. Rebellen haben Sie auf dem Weg zum Flughafen abgefangen. Wie wurde sie zum schönen Gesicht einer Diktatur, zur Frau eines Diktators? Schicksale wie das ihre faszinieren die französische Dokumentarfilmerin Diane Ducret.

Stand By Your Man

"Sometimes it's hard to be a woman", heißt es in Tammy Wynettes Schlager "Stand By Your Man". Diese Botschaft aus vor-feministischen Tagen, die besagt, dass die Liebe einer Frau allen Launen eines Mannes standhält, ist in keiner Weise überholt, wenn man das Verhältnis von Politikern zu Frauen analysiert - beziehungsweise der Frauen zu ihren Politikermännern. In der Regel ist das Verhältnis reichlich asymmetrisch.

Unter mehr oder weniger demokratischen Bedingungen hat sich der Boulevard das Monopol auf derartige Analysen erkämpft. Berlusconis Eskapaden, Sarkozys inszenierte Bilderbuchehe, die ehrgeizig ihren Status als First Lady behauptende Bundespräsidentengattin in Deutschland. Ganz zu schweigen von den Lady-Di-Geschichten aus den 1980er und 90er Jahren.

Für den mit keiner Macht und wenig Geld ausgestatteten Beobachter stellt sich die Frage: Warum tun sich die Frauen das an? Warum wollen Sie teilhaben an der Macht ihrer Männer? Warum decken sie deren Machenschaften? Warum lassen sie sich immer wieder in die Ecke stellen, krank machen, öffentlich demütigen? Der Boulevard wird uns darauf keine Antworten geben – und letztlich muss man sagen: Es gibt so etwas wie Selbstverantwortung. Niemand ist ausschließlich Opfer.

Auf dem Weg zur Macht

Wenn man das Feld der Politik auf autoritäre Regime, auf Diktaturen einschränkt, lassen sich die Fragen schon eher beantworten, wenngleich es auch da kein einheitliches Verhaltensmuster gibt. Diesen Frauen bleibt nichts anderes übrig, als zu ihren Männern zu stehen, denn ein eigenständiges Leben haben sie nicht mehr, sagt die französische Journalistin Diane Ducret. In ihrem Buch erzählt sie acht Fallgeschichten, die eines gemeinsam haben: Sie handeln von den Beziehungen von Frauen zu Diktatoren, die für all die menschenverachtende Politik stehen, die das 20. Jahrhundert geprägt hat: Mussolini, Lenin, Stalin, Salazar, Bokassa, Mao, Ceausescu und Hitler.

Das Entscheidende dabei ist, diese Männer zuerst einmal nicht auf dem Höhepunkt ihrer Macht darzustellen, sondern auf dem Weg dorthin. Da sind sie noch Lehrer, Arbeitslose, Untergrundkämpfer, Priesterseminaristen, Offiziere oder Berufsverbrecher, mehr oder weniger brutal, mehr oder weniger orientierungslos, oft ohne brauchbare Ideen.

Das Bildnis des Diktators als junger Mann mag der späteren Monstrosität zuwiderlaufen, es ist aber ein Bild, in dem Frauen eine ebenso wichtige Rolle spielen. So wie auch die richtige Vernetzung in Männerseilschaften, die – zumindest in den ersten sechzig Jahren des 20. Jahrhunderts – den Zugang zu politischer Macht ermöglichten.

Frauen als Spin-Doktoren

Die Frauen sind nicht selten Ersatzmütter, sagt Diane Ducret. Hitler und Mussolini wären ohne weiblich-mütterliche Begleitung andere Politiker geworden, ist sie überzeugt. Benito Mussolini zum Beispiel: Als junger Mann aus der Emilia Romagna hat er, wie viele Italiener zu Beginn des 20. Jahrhunderts, keine Zukunftsperspektive, dafür aber den Wunsch auszuwandern. Als Lehrer will er nicht in der Provinz verschimmeln, zum Militärdienst möchte er nicht eingezogen werden.

Er ist allerdings nicht sonderlich konsequent, er betrinkt sich lieber und spielt den Kleinstadtcasanova, denn eines kann man ihm nicht nachsagen: Bescheidenheit in Bezug auf sein Äußeres. Er wirkt auf Frauen, und diese Wirkung nutzt er aus. Ob sie verheiratet sind oder die sozialistische Revolution predigen, Journalistinnen, Feministinnen, bürgerliche oder national Gesinnte: Die Frauen bringen ihn weiter, sind für ihn da, stellen Kontakte her, leisten ihm brauchbare Dienste, treiben ihn, dem immer wieder die Motivation zum Weitermachen fehlt, an - wie etwa Angelica Balabanoff, eine gebürtige Russin, die in Rom lebte und Vorsitzende der Sozialistischen Partei war, bei der auch Mussolini ideologisch anzudocken versuchte.

Balabanoff war verblüfft von Mussolinis Ahnungslosigkeit. Wenn er den Mund aufmachte, konnte man ihn für verrückt halten, erzählt Diane Ducret. Die Frauen sind seine Spin-Doktoren, würde man heute sagen. Sie machen aus dem eitlen, muskulösen Mann den Duce, das politische Kraftpaket, auch wenn sie sich gegenseitig bekämpfen, wenn sie intrigieren und von Mussolini, wenn sie ihm zu anstrengend sind, abgelegt werden wie ein altes Kleidungsstück.

Doch die Macht, den Mann zu formen, zu beeinflussen, am luxuriösen Leben des Staatenlenkers teilzuhaben, ist so verlockend, dass der Verstand daran zerschellt. Denn für Mussolini selbst wird die Macht zur Droge. Er nimmt Maß an Hitler, und plötzlich wird die Welt zu klein. Diktatoren werden früher oder später alle paranoid, vertrauen niemandem mehr, sehen überall Bedrohungen, vereinsamen und handeln irrational.

Frauen spielen in dieser Situation nur mehr im religiösen Sinn eine Rolle, als Glaubensanhängerinnen, die für ihr Idol in den Tod gehen. So geschehen mit Clara Petacci, einer jungen Frau aus bester römischer Familie, die Mussolini auf der Flucht begleitet, mit ihm von den Partisanen aufgegriffen wird, sich weigert, den Geliebten zu verlassen, ebenso erschossen und anschließend in Mailand gemeinsam mit Mussolini öffentlich aufgehängt wird.

Die Vorstellung von absoluter Macht

Diese religiöse Verehrung des Mannes als messianische Lichtgestalt spielt auch bei Hitler eine zentrale Rolle, wobei er im Gegensatz zu Mussolini nie die Virilität zum Programm gemacht hat. Er hat es nie darauf abgesehen, Frauen körperlich einzunehmen, sagt Diane Ducret, er suchte die geistige Bindung - nicht mit einer Frau, sondern mit den Frauen.

Das zeigt, dass Männlichkeit und Sexualität nicht die Attribute sind, die im politischen Kontext auf das andere Geschlecht anziehend wirken. Es ist auch nicht die Macht allein, die die Partnerinnen mitunter willenlos macht, es ist diese Vorstellung von absoluter Macht, von der Aufhebung sämtlicher Grenzen, die so berauschend ist, dass man nicht einmal mehr die eigene Sterblichkeit zur Kenntnis nehmen will.

Belohnte Treue

Es gibt aber auch Fälle, bei denen die Treue zum politisch aktiven Mann mit der Teilnahme am politischen Leben belohnt wird; wo also der eigene Ehrgeiz befriedigt wird. Wladimir Iljitsch Uljanow alias Lenin hat seine Laufbahn als Berufsrevolutionär und später als erster Sowjetführer wesentlich seiner Frau Nadja zu verdanken, die das Scharnier zwischen Theorie und Tat war. Außerdem, so Diane Ducret, liebte sie ihn wirklich. So fuhr sie ihm in die sibirische Verbannung nach und ließ sich nicht dadurch beirren, dass er sich dort bereits mit einer anderen Frau verlobt hatte.

So viel Treue wollte belohnt werden. Nadja Ulianow war dann auch in Schlüsselpositionen tätig, vor allem bei der Indoktrinierung der Bevölkerung, die ja erst über die Ziele der Revolution aufgeklärt werden musste.

Realitätsverweigerung

Oder Jiang Qing, die vierte Ehefrau von Mao Zedong, die als Motor der verheerenden Kulturrevolution gilt und den schlechten Gesundheitszustand ihres Mannes ausnutzte, um in den 1970er Jahren zur gnadenlosen und paranoiden Schattendiktatorin aufzusteigen. 1980 wurde ihr als Mitglied der sogenannten Viererbande der Prozess gemacht, 1981 wurde sie zuerst zum Tode, dann zu lebenslanger Haft verurteilt. Zehn Jahre später beging sie Selbstmord.

Das Ende war auch für Elena Ceausescu eines mit Schrecken. Zu Weihnachten 1989 wurden sie und ihr Mann Nicolae in einem Schnellprozess zum Tode verurteil und anschließend in einem Kasernenhof exekutiert.

Beide kamen aus armen, bildungsfernen Verhältnissen, erzählt Diane Ducret, und sie wollten mit Hilfe der Politik Rache dafür nehmen, nicht an einer bestimmten Klasse, sondern an der ganzen Gesellschaft. Die Videoaufnahmen der zwei verwirrten älteren Leute, die nicht verstehen können, was mit ihnen geschieht, gingen um die Welt.

Eva Braun und Adolf Hitler, Clara Petacci und Benito Mussolini, Elena und Nicolae Ceausescu: Warum gehen die Frauen der Diktatoren mit ihren Männern in den Tod? Diane Ducrets Befund: Wenn man begreift, dass man sein Leben mit jemandem verbracht hat, der nicht nur einen selbst, sondern eine ganze Nation zerstört hat, dann kann man das nur ertragen, indem man es nicht glaubt, indem man sich unwissend stellt und indem man mit dem Mann in den Tod geht.

Service

Diane Ducret, "Die Frauen der Diktatoren. Die Macht der Liebe. Die Liebe der Macht", Ecowin Verlag

Ecowin - Die Frauen der Diktatoren