Rätselhafter Investitionsboom des Golfstaats

Kauft Katar Frankreich auf?

Der reiche Golfstaat Katar hat seine Investitionen in Frankreich stark ausgeweitet: Sei es in Großkonzerne, in Luxusimmobilien oder in Nobelhotels, in Fußballvereine und TV- Rechte, jüngst sogar in den französischen Problemvorstädten. Mittlerweile wird schon die Frage gestellt: Kauft Katar Frankreich auf?

Mittagsjournal, 24.2.2012

Katar allgegenwärtig

Als Nicolas Sarkozy vor fast fünf Jahren zum französischen Präsidenten gewählt wurde, war der erste außereuropäische Staatschef, den er im Elyseepalast empfing, der Emir von Katar. Als der französische Präsident sich kurze Zeit später bei der Befreiung der bulgarischen Krankenschwestern aus den Klauen Ghaddafis in Szene setzte - war es Katar, das die angeblich 300 Millionen Euro Lösegeld an Libyen bezahlte. Und als Nicolas Sarkozy letztes Jahr zum Militäreinsatz gegen Ghaddafi blies, war Katar letztlich das einzige arabische Land, das sich an der internationalen Militäraktion beteiligte. Und auch jetzt ist Katar in Frankreich allgegenwärtig: Das Konterfei des Emirs strahlt von Werbeflächen für das Wirtschaftsmagazin "Challenge" unter dem Titel: "Die Geheimnisse des größten Investors der Welt", und selbst Modezar Lagerfeld griff jüngst das Thema auf: Frankreich stehe nun mal zum Verkauf und Katar kaufe eben, das sei alles – so sein Kommentar.

Einkauf von Wohlwollen

Zwischen ein und zehn Prozent Anteile an strategisch wichtigen französischen Großkonzernen hält der Kleinstaat am Golf mittlerweile - etwa beim Rüstungskonzern Lagardère oder beim Mischkonzern Suez. Luxusimmobilien, die Katar in Paris erwarb, sind nicht nur extrem teuer, sondern auch von hohem symbolischen Wert: das Hotel Lambert, das schönste Stadtpalais aus dem 17. Jahrhundert auf der Seine-Insel Saint Louis oder für 500 Millionen Euro das internationale Konferenzzentrum in der Avenue Kleber, das zur Zeit in ein Fünfsternehotel verwandelt wird. Eric Leser, Wirtschaftsjournalist und Buchautor: "Katar hat eine echte Strategie des Lobbyings mit Blick auf Frankreichs Eliten entwickelt – die politischen, wirtschaftlichen und sportlichen Eliten. Das heißt zum Beispiel, Politiker aller Couleur werden von Katar angesprochen, hofiert, unterstützt und umsorgt, und dies schon seit langem. Die Katarer kaufen sich das Wohlwollen eines Teils des politischen Personals Frankreichs."

"Finanzen und Investitionen in Katar"

In Katar selbst geben sich hochstehende französische Politiker aller Couleur ein Stelldichein. Ex-Premier und Außenminister de Villepin etwa, seit 2008 Wirtschaftsanwalt, arbeitet ausschließlich für Mandanten aus dem Golfstaat, macht mit ihnen drei Millionen Euro Jahresumsatz. Frankreichs Großkonzerne haben in Katar Aufträge in zweistelliger Milliardenhöhe. Und wenn der Golfstaat etwa in Paris ein Forum zum Thema "Finanzen und Investitionen in Katar" organisiert, erscheint Frankreichs Premierminister Francois Fillon persönlich und hält eine fast unterwürfige Rede: "Frankreich ist ein Land, das ausländischen Investoren offen steht. Ich kenne das Interesse Katars für unsere Kapitalmärkte und will betonen, dass wir dem natürlich positiv gegenüberstehen. In diesem Zusammenhang hoffe ich, dass sich die Investitionspolitik Katars auf strategische Sektoren ausweiten möge, in denen unsere beiden Länder gemeinsame Interessen haben."

Politische Bedenken

Dass Katar ein autokratisches Land ist, der Emir sich an die Macht geputscht hat und das Wort Menschenrechte ein Fremdwort ist, scheint Frankreich Politiker nicht zu stören. Eric Leser: "Nicht dass man mit Katar nicht zusammen arbeiten sollte, aber man sollte sich diesem Land nicht ausliefern und dafür sorgen, dass Katar in Frankreich nicht allzu großes Gewicht bekommt. "

Fußball-Deals

Katar sorgte vor allem für Aufsehen durch den Erwerb des Erstliga-Fußballvereins Paris Saint Germain: 50 Millionen Euros für die Anteile, 100 Millionen für Spielerkäufe und Startrainer Ancelotti. Der Werbefachmann Guy Alves: "Sie haben mit Paris Saint Germain in erster Linie eine Marke gekauft, die ein Entwicklungspotential hat und eine weltweite Ausstrahlung verspricht." Doch damit nicht genug: Katars TV-Sender Al Jazeera hat die Championsleague-Fernsehrechte und fasst alle Übertragungsrechte für Spiele der ersten französischen Fußballiga erworben , die bald nur gegen klingende Münze auf einem Sportkanal von Al Jazeera zu sehen sein werden.

Projekte in Vorstadtsiedlungen

Gewisses Unbehagen hat schließlich auch die Tatsache ausgelöst, dass die Pariser Botschaft des Golfstaats einen 50-Millionen-Euro-Fonds für wirtschaftliche Projekte eingerichtet hat, die überwiegend von arabisch-stämmigen Bürgern der französischen Problemvororte eingereicht werden. Zuvor hatte sie ein Dutzend Lokalpolitiker aus diesen Vorstädten nach Katar eingeladen. Eine Stadträtin der Präsidentenpartei UMP: "Die Katarer haben sofort verstanden, dass es in unseren Vorstadtsiedlungen viele Talente gibt und dass man diese Talente fördern muss, damit sie sich entfalten können."

Steuerprivilegien

Gleichzeitig mussten die Franzosen jüngst erfahren, dass Katars Bürger, die sich hierzulande niederlassen, eine Sonderbehandlung genießen: Die ersten fünf Jahre müssen sie keine Vermögenssteuer bezahlen und Gewinne bei ihren Investitionen im Immobiliensektor sind ebenfalls von Steuern befreit.