"Mein geliebter Engel, Du fängst mich nicht" - Der Briefwechsel zwischen August Strindberg und Frida Uhl

Sie war mit August Strindberg verheiratet, die Mutter eines Sohnes von Frank Wedekind, "Schicksalsschwester" von Franziska zu Reventlow, Freundin berühmter Männer wie Arthur Schnitzler und Karl Kraus. Frida Uhl war aus gutem Wiener Haus, geistreich und exzentrisch. Im Berlin der Jahrhundertwende stürzt sie sich als Feuilletonistin in das wilde Leben der Bohème.

Einer der Stars der Szene ist August Strindberg, der schwedische Skandalautor. Die beiden heiraten, die Ehe zerbricht bald und ist an Dramatik reich – wie der Rest ihres bewegten Lebens zwischen Paris, London und New York. Wiederholte Rückschläge stürzen sie in Depressionen, können die Unangepasste aber nicht von ihrem Weg abbringen. Frida Strindberg gründet 1912 das erste Kabarett Londons und übersiedelt in die USA, wo sie Filmdrehbücher schreibt.

Noch bevor sie 1943 vereinsamt in Salzburg stirbt, veröffentlicht sie ihre Memoiren über die Zeit mit Strindberg – "ein Buch ohne Pausen", wie Knut Hamsun feststellt. Gelesen wird u.a. aus der ersten deutschsprachigen Biografie über Frida Uhl, aus Friedrich Buchmayrs "Madame Strindberg oder die Faszination der Bohème".

Der Autor Friedrich Buchmayr über Frida Uhl:

Es war die Sensationsmeldung des Frühlings 1893 in den Berliner Klatschspalten: August Strindberg, der 43-jährige schwedische Skandalautor und frisch geschiedene "Weiberhasser", hat sich mit der erst 20-jährigen österreichischen Journalistin Frida Uhl verlobt. "Wird sie ihn von seinem Weiberhass bekehren? Wird sie die in Strindbergs Werken so schlecht behandelten Frauen rächen?", fragten sich besorgte Reporterinnen. "Erst Fräulein Julchen, dann das Uhlchen!", reimte der Brautvater und Chefredakteur der "Wiener Zeitung", Friedrich Uhl, nicht ohne Sarkasmus; er hätte dem von ihm geschätzten Autor von "Fräulein Julie" und "Der Vater" lieber einen Literaturpreis als die Hand seiner Tochter gegeben.

Der Briefwechsel zwischen August und Frida Strindberg lässt alle Stationen ihrer kurzen, aber intensiven Beziehung hautnah miterleben: die ersten Treffen im Jänner und Februar 1893, die Hochzeit auf Helgoland, die glückliche Ehephase in Oberösterreich vom November 1893 bis zur Geburt der Tochter Kerstin im Mai 1894, das letzte Wiedersehen in Paris im September 1894, die anschließenden Scheidungsquerelen und den Protest Frida Strindbergs gegen die verfälschende Darstellung der Ehe in August Strindbergs autobiografischem Roman "Das Kloster".

Über die literaturhistorische Bedeutung hinaus ist der Briefwechsel aber ein bewegendes menschliches Zeugnis. Es sind Szenen einer Ehe, die von Anfang an alles andere als harmonisch verlief. Der schwedische Autor Olof Lagercrantz brachte es in seiner Strindberg-Biografie auf den Punkt: "Frida besaß all die Eigenschaften, die Strindberg an einer Frau verurteilte. Sie war emanzipiert, aufgeschlossen, selbstständig." Frida Strindberg wiederum fühlte sich geschmeichelt, von einem so berühmten Dichter hofiert zu werden, und machte sich in ihrer jugendlichen Unbekümmertheit keine Gedanken über dessen schwierigen Charakter. Die Beziehung war deshalb von Konflikten und Auseinandersetzungen geprägt, die im Briefwechsel in seltener Offenheit zur Sprache kommen.

Dabei begann alles sehr romantisch. Frida arrangierte die ersten Rendezvous und gab ihrem Verehrer auch den ersten Kuss. August Strindberg versprach, ihre Selbstständigkeit in der Ehe zu respektieren und ihren Wunsch, Schriftstellerin zu werden, zu fördern. In Mondsee las er im August 1893 erstmals Feuilletons seiner Frau und war erstaunt: "Jetzt, wo ich Deine Artikel mit Deinem Stil voll Geist und Farbe gelesen habe, wird mir bewusst, dass Du jemand bist und ich Dich zu Unrecht belächelt habe." Es folgten zärtliche Kosenamen wie "lieber Engel", "liebes Schaf" oder "Marienkäfer" und Liebesbriefe. "Ich liebe dich, weil dein Mund so schön ist und deine kleinen Zähne so wunderbar weiß sind. Wenn Du böse bist, so liebe ich dich, weil deine tiefen Augen Feuer speien!" Auch Frida Strindberg stand nicht nach und schwärmte nach der Abreise ihres Mannes aus London im Juni 1893: "Ich habe nie gewusst, dass so etwas wie Du existieren kann. Ich habe keine so hohe Meinung mehr von der Welt gehabt."

Die ständigen Geldsorgen, die durch August Strindbergs vorübergehenden Wechsel zu naturwissenschaftlichen Forschungen bedingt waren, brachten Zündstoff in die Beziehung. Frida Strindberg strebte immer tiefer in die literarische Szene hinein – auch um mit ihren Artikeln und Übersetzungen mehr Geld zu lukrieren, während August Strindberg aus dem lange genossenen Bohèmeleben in ein familiäres Zuhause zu entfliehen suchte. Bald zeigte sich, dass er an seiner Seite doch keine selbstbewusste Schriftstellerin, sondern eine traditionelle Hausfrau und Mutter haben wollte, die nur nebenher und gelegentlich Artikel schreibt oder übersetzt. Gerade in diese Rolle wollte Frida Strindberg aber nicht schlüpfen.

Auch in puncto ehelicher Treue hätten die Ansichten nicht konträrer sein können. Während Frida für weitreichende Toleranz eintrat, wurde August von Eifersuchtsanfällen geplagt. Es waren nicht zuletzt die maßlosen Anschuldigungen August Strindbergs wegen angeblicher Treuebrüche seiner Frau, die im Herbst 1894 zur Trennung führten.

Text: Friedrich Buchmayr

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Eine Veranstaltung in Zusammenarbeit mit dem Residenz Verlag.

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Buchtipp:
Friedrich Buchmayr, Madame Strindberg oder die Faszination der Bohème, Residenz Verlag

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