Leben mit Psychose

Ich oder Ich

Im Jänner 2007 tötete der 29-jährige Mathias Illigen seinen Vater. Ein Gutachten stellte damals die Diagnose "paranoide Schizophrenie", Illigen galt damit als nicht zurechnungs- und nicht schuldfähig und wurde in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen.

Im September 2010 durfte er die Anstalt nach nur dreieinhalb Jahren der Therapie als freier Mann verlassen. Jetzt hat Mathias Illigen seine Erlebnisse in dem Buch "Ich oder Ich" aufgezeichnet.

Mittagsjournal, 06.03.2012

Mathias Illigen hörte Stimmen und fühlte sich verfolgt. Schließlich witterte er seinen Vater als Kopf einer weltweiten Verschwörung und brachte ihn um. Die Psychiatrie sprach von paranoider Schizophrenie und die gilt in Österreich zwar als medikamentös unterdrückbar, aber nicht als heilbar.

In anderen Ländern sprächen Psychiater von "psychotischen Episoden", sagt Illigen, die ausheilen kann. Er selbst ist von Heilung "absolut überzeugt". Ebenso überzeugt ist Illigen, dass Psychopharmaka für den Heilungsprozess absolut notwendig sind. Deren oftmalige Verteufelung teilt er nicht.

"Ich bin vom Gericht dazu verpflichtet worden, dieses Medikament zu nehmen", so Illigen. So, wie es jetzt ist, sei es gut für ihn, sagt er, und derzeit würde er auch ohne diesen Zwang das Medikament nehmen.

Gestörte Bewusstseinsprozesse

Die Diskussion über die Willensfreiheit des Menschen, die in den letzten Jahren von Neurologen, Biologen und Philosophen angeregt geführt wurde, hat gerade Illigen mit großem Interesse verfolgt. Und aus seiner Erfahrung eigene Schlüsse gezogen: Biochemische Prozesse, neurologische Prozesse spielen in der Bewusstseinsbildung eine große Rolle. Bei einem gestörten Verlauf dieser Prozesse, können sie das gesamte "Ich-System" ins Wanken bringen, meint Illigen.

Während psychische Probleme wie Depressionen und Burn-Out mittlerweile offen diskutiert werden, gelten Psychosen immer noch als Tabuthema. Hier sei es aber wichtig, so Illigen, nicht nur Psychiater, sondern auch Betroffene zu Wort kommen zu lassen. Sein Buch stieß dennoch mancherorts auf Kritik.

Lesung im Casino Baumgarten

Illigen beschreibt in "Ich oder Ich" seinen Gang über die Stationen. Beklemmend sind dabei weniger die Zwänge des Anstaltslebens, als das Misstrauen, das Illigen sich selbst gegenüber verspürt und die wiederkehrende Frage, welche Art der Verantwortung er für seine Tat trägt.

Am Mittwoch, 7. März 2012, liest Mathias Illigen im Casino Baumgarten aus seinem Buch, begleitet wird er von einem Musikprogramm. Dass derart ein Tabuthema für breitere Publikumsschichten aufbereitet wird, erscheint noch nachvollziehbar, dass in der Ankündigung ein "literarisches Programm mit Gänsehaut-Flair" versprochen wird, ist geschmacklos und schießt am Ziel vorbei. Und das haben sich weder Illigen noch sein mutiger Bericht "Ich oder Ich" verdient.

Textfassung: Ruth Halle

Service

Mathias Illigen, "Ich oder Ich", edition a