Tabuthema der französischen Geschichte

Sarahs Schlüssel

Es ist eines der dunkelsten Kapitel der jüngeren französischen Geschichte: Die Deportation von 13.000 Pariser Juden im Sommer 1942, gemeinsam geplant von der deutschen Besatzungsmacht und der französischen Polizei. Der Film "Sarahs Schlüssel" erzählt, basierend auf Tatiana de Rosnays gleichnamigen Roman, die fiktive Geschichte eines jungen Mädchens, dem damals die Flucht gelang.

Kultur aktuell, 08.03.2012

Wenn die französische Polizei die Wohnung der Familie Strazinsky stürmt, versteckt Sarah ihren kleinen Bruder in einem Wandschrank und schließt ihn ein. Den Schlüssel nimmt Sarah mit. Sie selbst wird wie Tausende andere mit ihren Eltern ins Vèlodrome d'Hiver, ein ehemaliges Radrennstadion, gebracht - und von dort weiter deportiert.

Regisseur Gilles Paquet Brenner verhandelt die Ereignisse von damals auf zwei Zeitebenen und wechselt zwischen der Geschichte Sarahs und den Recherchen der in Paris lebenden Journalistin Julia, die jetzt, fast 70 Jahre später, eine Reportage über die Deportationen schreiben will, und dabei auf das Schicksaal Sarahs stößt.

Noch lange nicht aufgearbeitet

Die Massenrazzia 1942 im Sommer, und vor allem die aktive Rolle der französischen Polizei, war lange Zeit eines der großen Tabuthemen der jüngeren französischen Geschichte. Erst 1995 entschuldigte sich der damalige französische Staatspräsident Jaques Chirac öffentlich.

Es sei aber ein Kapitel, das noch lange nicht aufgearbeitet sei, so Regisseur Gilles Paquet Brenner: "Ich habe mir gedacht, dass der Moment nach all den Jahren richtig sei, dieses Thema mit einem Werk für das breite Publikum anzugehen. Ich fand es interessant, das Thema aus einem französischen Standpunkt zu zeigen, denn bisher ist es in Frankreich ziemlich wenig behandelt worden."

Realistisch nachgezeichnet

Das Ende der 1950er Jahre abgerissene Velodrome d'Hiver war damals für viele die erste Station auf dem Weg in die Vernichtungslager. Bilder von damals gibt es keine, weshalb es Gilles Paquet Brenner besonders wichtig war, das Stadion möglichst realistisch nachzuzeichnen:

"Man hat als Regisseur eine große Verantwortung, diese Razzia gewissermaßen zum Leben zu erwecken, denn das sind dann die Bilder, die die Menschen behalten werden. Ich habe versucht, das möglichst realistisch und echt zu zeigen."

Suche nach Sarah

Was als Recherche für einen Artikel begann, wird für die Journalistin Julia, gespielt von Kristin Scott Thomas bald zur obsessiven Suche - zu einer Suche nach Sarah, der die Flucht gelang, aber auch einer Spurensuche in der Familiengeschichte ihres eigenen Mannes.

Der Film "Sarahs Schlüssel" wird so, ohne mit falschen Sentimentalitäten zu trivialisieren, zum mitreißenden Wechselspiel zwischen persönlicher und kollektiver Erinnerungsarbeit, in dem die Frage nach dem Weiterleben der Opfer wie auch jener, die stumme Zeugen der Deportationen wurden, auf äußerst subtile Weise auf die Leinwand gebracht wird.