Die weibliche Seite der Macht

Mein Chef ist eine Frau

91 Prozent aller Aufsichtsräte in Österreich sind Männer. Auch unter den Top 50 der börsennotierten Unternehmen in Europa ist der Frauenanteil in den Führungsgremien nicht besonders hoch: nämlich nur elf Prozent. Warum so wenige Frauen in Spitzenpositionen kommen, wie es einzelne schaffen und wie es ihnen dort geht, damit hat sich die deutsche Autorin Juliane Gringer beschäftigt.

In ihrem Buch "Mein Chef ist eine Frau. Erfahrungsberichte über die weibliche Seite der Macht" bringt sie persönliche Porträts von Frauen in Führungspositionen. Aber sie hat auch Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen befragt: Wie geht es einem so, wenn der Chef eine Frau ist? Machen Frauen in Führungspositionen irgendetwas anders?

"Frauen sind schlechte Chefs", schreibt Juliane Gringer - aber: "Männer auch". Ob nämlich Führungskräfte auch Führungsqualitäten haben - das sei ihrer Meinung nach gar nicht vom Geschlecht abhängig. Nur: Bei Frauen werden mangelnde Qualitäten sofort auf das Geschlecht zurückgeführt:

"Im Job kennen wir hauptsächlich Klischees, die über Frauen erzählt werden. Über Männer sagt man wenig Schlechtes. Männer haben auch schlechte Eigenschaften, die werden aber nicht so streng gesehen. Ein Mann ist cholerisch, eine Frau ist zickig. Was ist besser?", fragt Juliane Gringer.

Chefinnen erzählen

Die scheue Überforderte, die charmante Nachlässige, die coole Amazone, die charismatische Macherin - Juliane Gringer porträtiert in ihrem Buch verschiedene weibliche Führungspersönlichkeiten. Acht Chefinnen erzählen, wie sie selbst in die Sphären der Macht gelangt sind und wie es sich dort oben anfühlt - von der Leiterin eines kleinen Familienunternehmens bis hin zu Marion Horn, stellvertredende Chefredakteurin der deutschen "Bild"-Zeitung:

Aber vor allem hat Juliane Gringer für ihr Buch mit jenen Menschen gesprochen, die diese Frauen als Chefinnen haben, also Tag für Tag mit ihnen arbeiten: "Darum hab ich diese Interviews geführt. Und ich hab sie wirklich ganz gründlich gefragt: Wie erlebt ihr eure Chefinnen? Was macht die aus? Was machen sie gut? Und was vielleicht noch nicht so gut?"

Faktor Familienplanung

Dieses Zitat stammt von einem männlichen Manager einer Berliner Auto-Firma. Er lobt die Fähigkeiten seiner Chefin in höchsten Tönen. Und lässt dann plötzlich mit einer ganz anderen Aussage aufhorchen: Wäre er Personalchef, würde er im Zweifelsfall doch lieber einen Mann einstellen, erzählt Gringer:

"Das war wirklich ein kritischer Moment in dem Interview. Ich saß so da, ich fand diesen Mann sympathisch. Ich fand das gut, was er mir erzählt hat, er hat sehr viel Feingefühl bewiesen, als er über seine Chefin sprach. Und dann kommt diese Aussage. Und dann denkt man: Das ist eben die Realität. Weil er begründet das damit, dass die Frauen in die Familienplanung verschwinden und dass er ein zu hohes Risiko eingehen würde, wenn er eine Frau um die 30 einstellt, mag sie auch noch so gut qualifiziert sein."

Pro Quotenregelung

Insgesamt habe sie zu ihrer Überraschung festgestellt: Die meisten Männer hätten heutzutage gar kein Problem damit, von einer Frau geleitet zu werden, sagt Juliane Gringer. Doch die Rahmenbedingungen seien eben nicht optimal. Da müssten die Firmen noch einiges lernen. Aber auch die Frauen. Einen Ausweg sieht sie in verpflichtenden Frauenquoten:

"Ein Problem ist oft: die Frauen schnappen sich nicht, was ihnen zusteht. Wenn eine Frau angerufen wird und gefragt wird: Möchten Sie diesen Job haben? Dann muss sich der Personalchef auf ein längeres Gespräch einstellen. Weil die nicht, wie ein Mann, sagt: Oh ja, ich kann das, ich will das. Sondern weil sei zurückhaltend ist und fragt: Schaff ich das auch wirklich? Und obwohl sie die Kompetenz hat - sonst wäre sie ja nicht angerufen worden. Diese Zaghaftigkeit, die viele Frauen an den Tag legen, ist schon ein Problem. Und eine Quote könnte die bekämpfen, denk ich."

Ein anderer Führungsstil

Natürlich werden bei einem solchen Thema immer wieder Klischees bedient. Das weiß Autorin Juliane Gringer auch. Und trotzdem kommt sie nach den zahlreichen Gesprächen zu dem Schluss: Frauen dürften tatsächlich einen etwas anderen Führungsstil haben.

"Mir fiel auf, dass die meisten Interviewpartner ähnliche Eigenschaften an ihren Chefinnen loben. Das sind die, die man allgemeinhin kennt: Man sagt, Frauen sind sehr gut organisiert, sie sind empathisch, sie sind sehr bemüht darum, dass es ein besseres Miteinander gibt, dass sie sozusagen ihre Mitarbeiter als Menschen wahrnehmen und dass das sehr motivierend wirkt. Und genau das war der Punkt: Wie kommt das bei den Mitarbeitern an? Nämlich, dass sie besser arbeiten. Eben weil sie sich wahrgenommen fühlen, liefern sie bessere Arbeit ab."

Juliane Gringer selbst ist freie Journalistin, also quasi ihre eigene Chefin. Und damit auch glücklich, betont sie. Jedoch hat die Arbeit an dem Buch ihre Einstellung ein wenig verändert: "Ja, ich hab durch das Buch große Lust darauf bekommen. Gerade durch das Buch und die vielen Sachen, die ich da gehört hab, hätte ich Lust einmal auszuprobieren: Wie fühlt es sich an, wie wäre das, ein Unternehmen zu führen?"

Service

Juliane Gringer, "Mein Chef ist eine Frau. Erfahrungsberichte über die weibliche Seite der Macht", Schwarzkopf & Schwarzkopf

Schwarzkopf & Schwarzkopf - Mein Chef ist eine Frau