Die weibliche Seite der Macht
Mein Chef ist eine Frau
91 Prozent aller Aufsichtsräte in Österreich sind Männer. Auch unter den Top 50 der börsennotierten Unternehmen in Europa ist der Frauenanteil in den Führungsgremien nicht besonders hoch: nämlich nur elf Prozent. Warum so wenige Frauen in Spitzenpositionen kommen, wie es einzelne schaffen und wie es ihnen dort geht, damit hat sich die deutsche Autorin Juliane Gringer beschäftigt.
27. April 2017, 15:40
In ihrem Buch "Mein Chef ist eine Frau. Erfahrungsberichte über die weibliche Seite der Macht" bringt sie persönliche Porträts von Frauen in Führungspositionen. Aber sie hat auch Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen befragt: Wie geht es einem so, wenn der Chef eine Frau ist? Machen Frauen in Führungspositionen irgendetwas anders?
"Frauen sind schlechte Chefs", schreibt Juliane Gringer - aber: "Männer auch". Ob nämlich Führungskräfte auch Führungsqualitäten haben - das sei ihrer Meinung nach gar nicht vom Geschlecht abhängig. Nur: Bei Frauen werden mangelnde Qualitäten sofort auf das Geschlecht zurückgeführt:
"Im Job kennen wir hauptsächlich Klischees, die über Frauen erzählt werden. Über Männer sagt man wenig Schlechtes. Männer haben auch schlechte Eigenschaften, die werden aber nicht so streng gesehen. Ein Mann ist cholerisch, eine Frau ist zickig. Was ist besser?", fragt Juliane Gringer.
Chefinnen erzählen
Die scheue Überforderte, die charmante Nachlässige, die coole Amazone, die charismatische Macherin - Juliane Gringer porträtiert in ihrem Buch verschiedene weibliche Führungspersönlichkeiten. Acht Chefinnen erzählen, wie sie selbst in die Sphären der Macht gelangt sind und wie es sich dort oben anfühlt - von der Leiterin eines kleinen Familienunternehmens bis hin zu Marion Horn, stellvertredende Chefredakteurin der deutschen "Bild"-Zeitung:
Zitat
Eine Frau mit Macht ist nicht so sexy, wie ein Mann mit Macht. Ich vermute, jeder meiner männlichen Kollegen kann sagen: hey, ich sitze in der Chefredaktion von "Bild" - und ich halte jede Wette, dass ihm sofort attraktive kluge Frauen an den Lippen hängen. Aber kein Mann interessiert sich für eine Frau, weil sie Macht hat.
Aber vor allem hat Juliane Gringer für ihr Buch mit jenen Menschen gesprochen, die diese Frauen als Chefinnen haben, also Tag für Tag mit ihnen arbeiten: "Darum hab ich diese Interviews geführt. Und ich hab sie wirklich ganz gründlich gefragt: Wie erlebt ihr eure Chefinnen? Was macht die aus? Was machen sie gut? Und was vielleicht noch nicht so gut?"
Zitat
(Mann:) "Ich habe meistens nur mit ihr telefoniert. Aber das war anstrengend: Sie sprach immer sehr leise. Man musste immer wieder nachfragen. Das entspricht meiner Meinung nach nicht dem Benehmen einer Vorgesetzten. Das ist, also ob man da so ein kleines Mädchen am Telefon hat, das seinen Vater sprechen will."
(Frau:) "Ich hatte bisher keinen Chef, der so gut organisiert war, wie sie. Die Männer, die ich in der Vergangenheit als Vorgesetzte kennengelernt habe, brauchten immer jemanden, der sie steuert. Eine Sekretärin oder Assistentin oder sonst jemanden."
Faktor Familienplanung
Zitat
(Mann:) "Für mich unterscheiden sich männliche und weibliche Chefs grundsätzlich gar nicht. Frauen haben nur unbestritten ein besseres Gespür für Kommunikation und Information. Männer treten lauter auf. Da kommt oft nur heiße Luft. Klar, es gibt viele Männer in Chefpositionen, die es nicht verdient haben."
Dieses Zitat stammt von einem männlichen Manager einer Berliner Auto-Firma. Er lobt die Fähigkeiten seiner Chefin in höchsten Tönen. Und lässt dann plötzlich mit einer ganz anderen Aussage aufhorchen: Wäre er Personalchef, würde er im Zweifelsfall doch lieber einen Mann einstellen, erzählt Gringer:
"Das war wirklich ein kritischer Moment in dem Interview. Ich saß so da, ich fand diesen Mann sympathisch. Ich fand das gut, was er mir erzählt hat, er hat sehr viel Feingefühl bewiesen, als er über seine Chefin sprach. Und dann kommt diese Aussage. Und dann denkt man: Das ist eben die Realität. Weil er begründet das damit, dass die Frauen in die Familienplanung verschwinden und dass er ein zu hohes Risiko eingehen würde, wenn er eine Frau um die 30 einstellt, mag sie auch noch so gut qualifiziert sein."
Pro Quotenregelung
Insgesamt habe sie zu ihrer Überraschung festgestellt: Die meisten Männer hätten heutzutage gar kein Problem damit, von einer Frau geleitet zu werden, sagt Juliane Gringer. Doch die Rahmenbedingungen seien eben nicht optimal. Da müssten die Firmen noch einiges lernen. Aber auch die Frauen. Einen Ausweg sieht sie in verpflichtenden Frauenquoten:
"Ein Problem ist oft: die Frauen schnappen sich nicht, was ihnen zusteht. Wenn eine Frau angerufen wird und gefragt wird: Möchten Sie diesen Job haben? Dann muss sich der Personalchef auf ein längeres Gespräch einstellen. Weil die nicht, wie ein Mann, sagt: Oh ja, ich kann das, ich will das. Sondern weil sei zurückhaltend ist und fragt: Schaff ich das auch wirklich? Und obwohl sie die Kompetenz hat - sonst wäre sie ja nicht angerufen worden. Diese Zaghaftigkeit, die viele Frauen an den Tag legen, ist schon ein Problem. Und eine Quote könnte die bekämpfen, denk ich."
Ein anderer Führungsstil
Natürlich werden bei einem solchen Thema immer wieder Klischees bedient. Das weiß Autorin Juliane Gringer auch. Und trotzdem kommt sie nach den zahlreichen Gesprächen zu dem Schluss: Frauen dürften tatsächlich einen etwas anderen Führungsstil haben.
"Mir fiel auf, dass die meisten Interviewpartner ähnliche Eigenschaften an ihren Chefinnen loben. Das sind die, die man allgemeinhin kennt: Man sagt, Frauen sind sehr gut organisiert, sie sind empathisch, sie sind sehr bemüht darum, dass es ein besseres Miteinander gibt, dass sie sozusagen ihre Mitarbeiter als Menschen wahrnehmen und dass das sehr motivierend wirkt. Und genau das war der Punkt: Wie kommt das bei den Mitarbeitern an? Nämlich, dass sie besser arbeiten. Eben weil sie sich wahrgenommen fühlen, liefern sie bessere Arbeit ab."
Juliane Gringer selbst ist freie Journalistin, also quasi ihre eigene Chefin. Und damit auch glücklich, betont sie. Jedoch hat die Arbeit an dem Buch ihre Einstellung ein wenig verändert: "Ja, ich hab durch das Buch große Lust darauf bekommen. Gerade durch das Buch und die vielen Sachen, die ich da gehört hab, hätte ich Lust einmal auszuprobieren: Wie fühlt es sich an, wie wäre das, ein Unternehmen zu führen?"
Service
Juliane Gringer, "Mein Chef ist eine Frau. Erfahrungsberichte über die weibliche Seite der Macht", Schwarzkopf & Schwarzkopf
Schwarzkopf & Schwarzkopf - Mein Chef ist eine Frau